Donnerstag, 25. Oktober 2018

31| In welcher Liga spielt eigentlich Hansa Rostock?

Diese Frage über meinen alten Heimat-Verein stellte sich mir ausgerechnet auf dem Weg zum Lama-Tempel letzten Samstag.
3. Liga. Das hatte ich schlimmer befürchtet.
 

Der Lama-Tempel - oderYonghe-Tempel, wie er eigentlich heißt - sollte die erste Attraktion sein, die ich mit meinem Besuch besichtigen wollte, da er mit eigener U-Bahn-Station gut zu erreichen ist und ich ihn selber vorher noch nicht besucht hatte. In direkter Nachbarschaft zum Konfuzius-Tempel hat mich diese buddhistische Tempelanlage sehr beeindruckt, nicht zuletzt, weil sie nachwievor aktiv für religiöse Zwecke genutzt wird. Überall brennende und glimmende Räucherstäbchen, die der an diesem Wochenende unglaublich schlechten Luft zumindest eine etwas würzigere Note gaben. Buddha-Statuen verströmten zudem eine angenehm friedliche Atmosphäre.

 
 
 

Abends dann der völlige Kontrast - bummeln durch den Beijing Olympic Park. Dort war ich zwar schon während der Einführungswoche im Juni, aber abends ist es dann doch nochmal eindrucksvoller durch die ganze Beleuchtung.


Auf dem Boulevard tummelten sich Karaoke-Sänger, Tanz- und Qigong-Gruppen und andere "Künstler", denen allen gemein war, dass die Musik aus völlig übersteuerten Lautsprechern kam. Hauptsache laut.
In der zugehörigen Mall haben wir dann ein sehr gutes China-Restaurant aufgetan, und ich konnte erste sprachliche Erfolge nach ein paar Wochen Chinesisch-Kurs erzielen. Drei Bier und dreimal Reis konnte ich bestellen ohne mit dem Finger auf das entsprechende Bild zu zeigen.

Für Sonntag war die Verbotene Stadt geplant, die bei keinem Peking-Aufenthalt fehlen sollte. Um die tägliche Besucherzahl auf 80000 (!) Besucher zu begrenzen, ist nur noch eine Online-Reservierung mindestens 24 Stunden vorher möglich. Typisch China: Diese Ticket-Seite gibt es nicht auf englisch, nur auf chinesisch. Mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung aus dem Internet haben wir uns dann aber erfolgreich durch die Prozedur geklickt.


Die Verbotene Stadt - mehr als 500 Jahre lang Regierungs- und Wohnsitz von 24 Kaisern. Der Letzte dankte 1911 ab, und erst viele Jahre später war es Normalsterblichen überhaupt erlaubt, die Verbotene Stadt zu betreten. Die Dimensionen der Anlage sind gigantisch - es heißt zurecht Verbotene Stadt und nicht etwa Verbotenes Dorf.
Umgeben von  einem 50 m breiten Wassergraben und einer 10 m hohen Mauer, über 700000 Quadratmeter Fläche, 890 Gebäude, um die 9000 Räume, unterteilt in einen äußeren (wurde für Zeremonien und offizielle Regierungsgeschäfte genutzt)  und einen inneren Bereich (dort lebte der Kaiser mit seinen Konkubinen oder schlenderte im kaiserlichen Garten) kann man schlichtweg nicht alles an einem halben Tag besichtigen (vermutlich nicht mal an einem ganzen Tag). Leider werden bei meinen Fotos die Dimensionen nicht ansatzweise deutlich. Man muss diese beeindruckende Anlage mit ihrer großartigen chinesischen Architektur halt wirklich mal selber gesehen haben. Gerne aber bei besserer Luftqualität als wir sie hatten.

 
 
Wer sich übrigens erinnert, was ich mal über die Anzahl der Dachwächter geschrieben hatte, kann bei dem Palast in obigem Bild - einem der kaiserlichen Paläste - mal nachzählen. Man kann's aber auch lassen.

 
 
 

Warum komme ich überhaupt schon heute dazu diesen Post zu vervollständigen?
Mein Besuch ist nach einer Woche heute mittag wieder abgereist.
Fazit: Es war schön, aber auch mega anstrengend zwei Urlauber in der Hütte zu haben, während man selber arbeiten und den Alltag bestreiten muss. Nun habe ich das restliche Wochenende um klar Schiff zu machen und meine Erkältung in den Griff zu kriegen.
Ärgerlich, der mitgebrachte Gin ist schon wieder gut zur Hälfte leer.


Am Samstagabend bin ich dann noch kurz zu "The Place", einer von vielen Mega-Malls in Peking mit riesigem Screen als Sonnen- und Regenschutz um mir nach getaner Hausarbeit ein paar neue Sneaker zu kaufen.
Man muss sich auch mal was gönnen können.




Sonntag, 14. Oktober 2018

30| F-Dur, Tesa-Moll

Wie ich schon mal erwähnte, sind nicht nur einige Bewohner meines Gastlandes, sondern auch meine Fenster nicht ganz dicht. Doch selbst mit von einem Kollegen empfohlenen Fensterdichtungen von Tesa-Moll bleiben die Undichtigkeitsprobleme. Ein bisschen  besser ist es zwar geworden, aber bei stürmischen Winden, die mit dem beginnenden Herbst häufiger und stärker wurden, pendeln regelmäßig meine Deckenlampen hin und her. Vielleicht bau ich da noch'n Uhrwerk ein. Spannend wird's Richtung Winter, wenn die Temperaturen deutlich unter Null Grad sinken. Relativ kalt ist es auch jetzt schon nachts und morgens mit um die 4 Grad geworden, während man tagsüber noch locker mit dem T-Shirt rumlaufen kann.

Dies Wochenende allerdings habe ich Aktivitäten im Freien auf ein Minimum begrenzt. Mit einem Luftqualitätsindex im Bereich "very unhealthy" erlebe ich hier gerade meine bisher schlechtesten Luftwerte.
Luftqualitätsindex rauf, Lebensqualitätsindex runter!?
Gut, dass ich mir gestern einen Luftreiniger für die Wohnung gekauft habe. Ob er wirklich was bringt, ist fraglich, aber es beruhigt, wenn der Propeller leise vor sich hin schnurrt und es auf dem Display grün leuchtet.
Der Kauf war allerdings ein Zufallskauf. Ich mochte nur nicht mit leeren Händen nach Hause zurückkehren. Eigentlich wollte ich ein bisschen bummeln in einer Mall - in einer riesigen Mall. Mal nach Schuhen und Klamotten gucken. Das wollten aber auch die anderen 20 Millionen Einwohner der Stadt.

Heute nachmittag haben eine Kollegin und ich es etwas ruhiger angehen lassen, indem wir uns zum Kaffee verabredeten. Sie hatte in der Karte ein nettes Cafe herausgesucht, wo sich dann aber nur die Botschaft von Ghana befand. Möglicherweise haben die auch guten Kaffee. Wir haben aber nicht gefragt.
Zumal das Sicherheitspersonal so mancher Botschaft etwas unentspannt guckt. Vor einer Botschaft stand ein gepanzertes Fahrzeug mit verdunkelten Scheiben und Löchern an den Seiten, wo man Gewehre durchstecken kann. Ich habe meine Kollegin nur kurz darauf aufmerksam gemacht, schon öffnete sich die Tür des Wagens. Wir haben unseren Schritt ein wenig beschleunigt.
In der Nähe gibt es auch ein deutsches Lokal. Also da für'n Käffchen rein. Gähnende Leere bis auf zwei andere Gäste und vier Leute Personal. Dunkel, braune, in die Jahre gekommene Möbel, Staubfänger aus dem maritimen Bereich, soweit das Auge reicht, "Schmidtchen Schleicher" und andere Gassenhauer aus den Boxen. Cappuccino und Käsekuchen - und schnell wieder raus. Wenn man mal ganz dolles Heimweh nach Deutschland, einem Admiralsschnitzel mit Bratkartoffeln und den 80-er Jahren hat - herzlich willkommen.
Nur 30 m weiter ein fantastisches italienisches Cafe. Voller Leute, hell und freundlich.

Vor kurzem waren wir auch mal auf Empfehlung einer türkisch-stämmigen Kollegin in einem Halal-Restaurant essen. Durchaus sehr leckere Sachen dabei: Saftiger Fisch, würzige Lamm-Spieße, gerösteter Blumenkohl. Das Spannendste an diesem Abend war aber nicht das Essen, sondern der Streit, der sich vor unserem Raum zutrug. Offensichtlich gab es innerhalb des Personals Meinungsverschiedenheiten, die zu einem riesigen Tumult mit großem Geschrei und Handgemenge auswuchsen. Wir überlegten schon, ob wir die Geschirr-Kommode von innen vor die Tür schieben und durch die Revisions-Klappe in der Decke fliehen sollten. Wir kamen dann aber doch unbehelligt aus der Sache raus.

Noch 73-mal schlafen bis Hong Kong. Wie gesagt, alles gebucht. Freu mich drauf.


Nun bin ich seit gestern am Überlegen, ob ich nicht davor noch ein paar Tage nach Hainan fliege - eine Insel ganz im Süden Chinas, die als das "Hawaii von China" gilt. Mal richtig ausspannen. Verdient hätte ich es mir, schließlich liegen viele Wochen aufopferungsvoller Arbeit vor mir.


Andererseits ein bisschen absurd, zunächst gute vier Stunden in den Süden zu fliegen, eine knappe Woche später zurück nach Peking um nach vier Tagen dreieinhalb Stunden im Flieger nach Hong Kong zu sitzen. Und nach'ner Woche dann wieder nach Peking.
Da fällt mir spontan der Knaller-Hit "Jet Set" von Carmen Geiss ein, der übrigens auch gut in dem oben erwähnten deutschen Lokal laufen könnte. R-o-o-o-obert. 😜
Ich schlaf mal noch eine Nacht drüber. Dann wäre's auch nur noch 62-mal schlafen bis Hainan.


Sonntag, 7. Oktober 2018

29| Perlen vor die Säue

Heute, am letzten Tag der Golden Week, wollte ich mal den Pearl Market erkunden. Ein Markt, in dem man - ja, auch Perlen - aber vor allem "Markenprodukte" günstig erstehen kann. Eine besondere Empfehlung mehrerer Kolleginnen.
So viel Cashmere, Seide, Stoffe, Uhren, Gucci-Taschen, Krawatten und Adidas-T-Shirts, wie mir binnen weniger Minuten feilgeboten wurden, hätte ich nicht tragen können. Dieses Bemühen der emsigen Verkäuferinnen konnte ich leider nicht würdigen und verließ nach einigen Minuten wieder die Markthalle.
Nur die Straße rüber befindet sich der Temple of Heaven Park. Da dacht ich mir: "Wennde schon mal da bist.".
Eine große Parkanlage im südlichen Peking, sehr einladend, mit vielen ruhigen und beschaulichen Ecken.


Highlight dieses Parks ist aber die namensgebende Himmelstempelanlage.
Jeder weiß natürlich, dass diese während der Ming-Dynastie im Jahre 1420 erbaut wurde, ein Symbol für die Beziehung zwischen Erde und Himmel ist und dem Kaiser als Opferaltar diente um für schönes Wetter und reiche Ernte zu beten.
Ich nutzte die Chance um für ein schnelles Verstreichen der Arbeitswochen bis Weihnachten zu beten.

Das wichtigste und schönste Gebäude der Anlage ist die kreisrunde Halle des Erntegebets.

Der Weg in der Mitte mit den großen Steinplatten in obigem Bild war übrigens ausschließlich dem Kaiser vorbehalten. Ich finde es angemessen, dass hunderte Jahre später ich dort entlang gehe. 😏
Wenn man sich jetzt auf obiger Fotoposition umdreht, schaut man zur ebenfalls runden Halle des Himmelsgewölbes, umgeben von der Echo Wall.

Ein wenig skurril mutete die Tatsache an, dass dort überall Chinesen die Mauer angeflüstert, angeschrien, angesungen oder angepfiffen haben um zu prüfen, ob sie ihr Echo hören können.
Südlich davon schließt sich der Circular Mound Altar an, ein ebenfalls runder, dreistufiger Marmor-Altar, der den Himmel, umgeben von einem viereckigen Platz, der die Erde repräsentiert.


Genau in der Mitte der oberen Terrasse befindet sich der Heaven's Heart Stone, ein runder Stein, der am Tage der Wintersonnenwende religiösen Zwecken diente. Heute hingegen dient er fotografischen Zwecken. Offensichtlich ein so beliebtes Motiv, dass sich eine lange Schlange davor bildet.



Achtung, es folgt ein bisschen Spaß mit Zahlen. 😱
Der Heaven's Heart Stone ist umgeben von 9 ringförmig angeordneten Steinen, die ihrerseits von 18 ringförmig angeordneten Steinen umgeben sind. Im dritten Ring sind es dementsprechend 27 Steine.
a) Wie viel Steine sind es im neunten und letzten Ring?
b) Wie viel Steine sind es auf der obersten Terasse insgesamt?

Die zweite und dritte Terrasse haben ebenfalls jeweils 9 Ringe.
Zu jeder Terrasse führen Treppen mit jeweils 9 Stufen.

Reicht, oder?

Nur ganz kurz, die Zahl 9 steht in China für Langlebigkeit und Männlichkeit und somit auch für den Kaiser, den Gesandten des Himmels. Und der Himmel hat wiederum 9 Sphären.

Wo wir gerade beim Gesandten des Himmels sind.
Ich wohne ja in der 29. Etage.
Stimmt gar nicht.
Da in China die 4 eine absolute Unglückszahl ist, und die 13 ebenso, gibt es im Aufzug keine Etage 4, 13, 14, 24 usw. Da das Erdgeschoss Etage 1 ist, wohne ich eigentlich in der .... na?

Ich schweife ab.
Im westlichen Teil des Temple of Heaven Parks befindet sich der Palast des Fastens, in den sich der Kaiser vor den Opferritualen zurückzog um dort 3 Tage lang abstinent zu leben.


Da fällt mir ein, ich muss noch ein Golden-Week-Abschluss-Bier kalt stellen.


Mittwoch, 3. Oktober 2018

28| Der frühe Vogel...

...kackt auf die Mauer.

5:30 Aufstehen. 7:00 Treffen zur Longquanyu Great Wall Tour zum Little West Lake mit den Beijing Hikers. Erstmal Starbuck's. Dann Busfahrt in die Berge nördlich von Beijing.
Gegen 10 Uhr haben wir unseren Startpunkt erreicht. Es geht über restaurierte und "wilde" Abschnitte der chinesischen Mauer mit zum Teil steilen Auf- und Abstiegen und fantastischen Panoramen, durch Kastanienplantagen zum Little West Lake, in den die Mauer hineintaucht.

Achtung, Bildungsauftrag: Gebaut wurde dieser Teil der chinesischen Mauer während der Ming-Dynastie. Ungefähr 7 Kilometer ist unsere Wanderstrecke lang, Dauer etwa 4 Stunden. 266 m geht's insgesamt aufwärts, 544 m abwärts. Und das alles bei blauem Himmel und 26 Grad. Mir 6 Grad zu warm.

Aber genug der Zahlen und Fakten. Ich lasse jetzt Bilder sprechen, auch wenn mir klar ist, dass Bilder nicht so richtig selbst Erlebtes wiedergeben können. Ich versuche es trotzdem.

Eindrücke vom restaurierten Teilstück der Mauer:

 
 
 
 
 
 
 
 

Impressionen vom "wilden" Teil der Mauer:

 
  

Eindrücke vom Little West Lake: 
Schon schön anzusehen, aber die Umgebung war mal wieder touristisch ausgeschlachtet bis sonstwohin. 
Laut, bunt, grell, voller Menschen - absolutes Kontrastprogramm zur Stille zuvor und den vorangegangenen großartigen Eindrücken.

 
 

Seinen Abschluss fand dieser fantastische Ausflug in einem chinesischen Lokal, bevor es mit dem Bus auf einer gut zweistündigen Fahrt zurück an den Anfang ging.
Der frühe Vogel liegt schon wieder in seinem Nest und ich werde es ihm wohl bald gleichtun.