Mittwoch, 20. Mai 2020

82| Die Farbe der Hoffnung

Am Montag, den 18.05.2020, hätte ich eigentlich wieder'n Stündchen in Seoul arbeiten sollen. Das wäre eine sehr willkommene Abwechslung gewesen. Stattdessen Woche 14 im Home-Office. Es sieht aber so aus, als könnte Anfang Juni wieder ein Hauch von Normalität durch unsere Arbeitsstelle wehen. Eine Dienstbesprechung in wenigen Tagen hätte etwas Licht ins Dunkel bringen sollen. Diese Dienstbesprechung muss jedoch verschoben werden, da es seitens der lokalen Behörden bisher keine konkreten Informationen gibt. Eine Rückkehr zur politischen Normalität in China läutet indes der am Freitag beginnende Volkskongress ein. Allemal soll das Spektakel mit seinen rund 3000 Abgeordneten signalisieren:


An vielen Straßenkreuzungen stehen nun wieder die Herren in schwarz unter ihren roten Sonnenschirmen und in den U-Bahn-Stationen Uniformierte im Stillgestanden hinter rotem Absperrband - in Corona-Zeiten teilweise auch hinter Glas. Sieht ein bisschen aus wie bei Madame Tussauds. Wär witzig, wenn sie dort überall Prinz Harry aufstellen würden. Immerhin war der doch auch mal in'ner Uniform unterwegs.
Wie obiges Bild erahnen lässt, bietet die einigermaßen freie Zeiteinteilung während des Home-Office durchaus mal Freiraum für Quatsch. Oder für Entschleunigung. So habe ich vor kurzem mal wieder die Unmengen an Bildern (um die 2000) durchgeforstet, die in den letzten Monaten entstanden sind.
Ein paar von ihnen habe ich hier - auch ein klein bisschen nachbearbeitet - unter der Rubrik "black & color" zusammengestellt.

black & green in Beijing:


black & blue in Guangzhou:


black & bronze in Bangkok:


black & yellow in Siem Reap:


black & green in Taipei:


black & orange in Beijing:


black & blue in Taipei:


black & blue in Beijing:


black & maroon in Beijing:


black & purple in Taipei:


black & gold in the air:


black & violet in Beijing:


Als ich heute morgen, am Samstag, den 23.05.2020, um kurz vor 7 mal vorsichtig durch den Vorhang geluschert hab, entschied ich mich trotz zahlreicher abzuarbeitender E-Mails für einen spontanen Ausflug. Das Wetter und die Luftwerte waren einfach zu verlockend. Also, auf nach Kopenhagen. Für eine ausgiebige Radtour. Naja, eigentlich ging's nochmal an den Kaiserkanal. Aber angefühlt hat sich's wie Kopenhagen.


Heutiges Ziel war der Grand Canal Forest Park, südöstlich vom Tongzhou Canal Park, der sich über eine Länge von gut 8 Kilometern auf beiden Seiten des Kaiserkanals erstreckt.


Selbst in manchen U-Bahn-Stationen wird für dieses schöne Fleckchen Erde geworben.


Hübsch. Mein Bild gefällt mir trotzdem besser.


Der 2013 eröffnete riesige Park lässt sich perfekt mit dem Rad erkunden und bietet neben vielfältiger Vegetation und natürlich dem Kanal auch schattige Picknick- und Campingbereiche, bisschen Kunst, Bootstouren, einen Rummel. Und an jeder Ecke bietet sich einem ein neuer toller Blick:


Ebenfalls sehr schön sind die mit Schilf bewachsenen wetlands auf beiden Seiten des Kanals.


Am Ende meiner Radtour angelangt, ließ der Blick in den Himmel nichts Gutes erahnen...


...und zur nächstgelegenen U-Bahn-Station war es noch ein Stück.
Mir blieb nichts anderes übrig, als die Rückfahrt für eine ganze Weile zu unterbrechen und mich einer sozialistischen Wartegemeinschaft anzuschließen.


Relativ trockenen Fußes erreichte ich schließlich die U-Bahn-Station und warf einen letzten Blick zurück auf das abziehende Unwetter.


Mit fettem Sonnenbrand, aber sehr zufrieden war ich gegen 16:00 Uhr wieder zurück in meinem Home-Office.

Mittwoch, der 27.05.2020: Heute nun hat die verschobene Dienstbesprechung stattgefunden. Am kommenden Dienstag soll - nach dann 15 Wochen - das weitgehende Ende der Home-Office-Phase eingeleitet werden. Was folgt, hat aber äußerst wenig mit normalem Arbeitsalltag zu tun. Die Rahmenbedingungen sind eher erschreckend als beruhigend - nicht zuletzt wegen der weit über 100 zu erfüllenden und kontrollierten Auflagen der lokalen Behörden. Der Ausblick auf das nahende lange Wochenende frustrierend. Eigentlich war ein zweitägiger Ausflug geplant. Zum Old Dragon's Head - dort, wo die Große Mauer ins Meer ragt.


Unter Auflagen zwar grundsätzlich möglich, doch zu groß die Unsicherheit, welche Konsequenzen es für uns haben könnte, wenn wir Pekings Stadtgrenzen überschreiten. Also alles wieder storniert.
Und der Ausblick auf den Sommer und die nahe Zukunft mehr düster als erhellend. Dazu bald mehr. Die Farbe der Hoffnung ist zur Zeit jedenfalls nicht grün.


Grün ist aber der Botanische Garten, den eine Kollegin und ich heute, am Samstag, den 30.05., besuchten. Nicht ganz spontan, mussten wir doch 24 Stunden vorher mit Übermittlung unserer Pass-Daten unser Kommen anmelden.
Gelegen im Nordwesten Pekings, unweit der Fragrant Hills, gilt er mit seinen für Besucher zugänglichen 200 ha und 10000 verschiedenen Pflanzenkategorien als der größte botanische Garten Nordchinas.


Am nördlichen Ende des Botanischen Gartens befindet sich der Wofo Si oder Tempel des Schlafenden Buddhas mit einer mehr als 1300-jährigen Geschichte. Die namensgebende 5 m lange bronzene Statue des schlafenden Buddhas von 1321 bekamen wir leider nicht zu Gesicht, da alle Gebäude geschlossen waren, trotzdem eine schöne und friedliche Tempelanlage.


Noch weiter nördlich schließt sich das Cherry Valley an, ein schmales Tal in den Bergen mit einem kleinen Bach. Zu Zeiten der Ming-Dynastie bepflanzt mit Kirschbäumen, daher der Name. Gepflückt haben viele Chinesen zwar auch irgendwas, waren aber keine Kirschen.


So, und während einen Tag zuvor zwei amerikanische Astronauten mit einem Tesla zu ihrer SpaceX-Rakete fuhren...


...fuhren wir zu Viert am Abend des 31.05. zum Essen bei Heidi Lau. Die betreibt aber nicht etwa'ne Wurstbude in Peking, sondern das Haidilao ist eine chinesische Hot-Pot-Restaurantkette. Kann man sich eigentlich vorstellen wie Fondue, wobei das Essen eher zur Nebensache wurde, waren wir doch im weltweit ersten smarten Hot-Pot-Restaurant: Tablets am Tisch, Video-Installationen an der Decke und an den Wänden, Roboter in der Küche, Roboter im Restaurant.


Dann aber doch auch Menschen: jede Menge Service-Personal, ein Nudel--Artist, ein Masken-Tänzer.


Ein Erlebnis allemal, aber lecker Bockwurst mit Senf und Kartoffelsalat an Heidi's Wurstbude wär auch nicht zu verachten.