Samstag, 26. Oktober 2019

69| Alte Freunde

Die Schlagzeilen:
Hoher Besuch. Frau Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, machte uns letzte Woche mit ihrer Gefolgschaft die Aufwartung. Benannt ist sie nach ihrem 40 Jahre älteren Gatten Franz. Wo die Liebe hinfällt.
Outlook nervt. Nicht nur, dass es nicht in der Lage ist, die Geburtstage meiner Kontakte vollständig und fehlerfrei in den Kalender zu übernehmen, nein, manche Geburtstage hat es sogar komplett rausgeschmissen. Entschuldigung an alle, deren Geburtstag ich deshalb schon verbummelt habe. Also Kontaktaufnahme mit dem Support.
Erste Antwortmail: Vorsicht bei der Eingabe der Geburtsdaten! Ich solle nur Tag und Monat, jedoch nicht das Geburtsjahr eintragen. Resultat, an den fehlenden oder falschen Kalendereinträgen hat sich nichts geändert. Allerdings hat Outlook nun die Geburtsjahre aller meiner Kontakte auf 1604 festgelegt. Sehr alte Freunde.
Zweite Antwortmail: Ich solle es mal mit einem neuen primären Alias für meinen Account versuchen. Nö.
Dritte Antwortmail: "Ich bedanke mich für Ihre Nachricht und erwünsche mir, dass das Problem schnellstmöglich behoben werden kann." Danke für gar nichts.
Ginkgo stinkt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Überall stehen hier Ginkgo-Bäume rum. Bis zum Herbst schön anzusehen wegen ihrer Blätter, aber lass sie dann mal ihre etwa kirschgroßen Samen abwerfen.


"Die Samenschale entwickelt im ausgereiften Zustand einen unangenehmen Geruch nach ranziger Butter." - so Wikipedia. 
Es stinkt nach Erbrochenem - so die Realität.

Mein Berg Ginkgosamen, äh Arbeit, den ich mir dieses Wochenende mit nach Hause genommen habe, ist schon merklich geschrumpft, sodass ich heute am späten Nachmittag spontan ans südliche Ende der Pekinger Zentralachse gefahren bin.
Qianmen, südlich des Tian'anmen-Platzes, hat Hutongs, traditionelle Einkaufsstraßen und auf alt getrimmte Architektur zu bieten.


Die bekannteste Einkaufsstraße in diesem Viertel ist die gut 800 Meter lange Qianmen Street, deren Geschichte bis in die Ming- und Qing-Dynastie zurück reicht. Zu den olympischen Spielen 2008 in Peking ist sie nach längerer Restaurierung in der heutigen Form wiedereröffnet worden. Besucher können hier laut "travelchinaguide" echtes Lokalkolorit, den traditionellen chinesischen way of life erleben. Ja doch, is ganz schön. Die Fake-Straßenbahn, die sonst hier durchrumpelt, fuhr allerdings nicht. Vielleicht Batterien alle, Oberleitungen gibt's jedenfalls keine. Und vom Eingang zu Madame Tussauds schaut Jackie Chan herüber.


Die Straße führt zum Zhengyang-Tor, einem alten Stadttor Pekings. Es wurde 1421 errichtet und war das Haupttor der inneren Stadt und dementsprechend größer und prächtiger als die anderen Stadttore. Obwohl es mehrfach restauriert wurde, ist es heute nicht mehr in seiner ursprünglichen Form erhalten. Egal, trotzdem schön, gerade abends.
Wie Chinesen das Tor fotografieren:


Und wie ich es fotografiert habe:


Zurück ging es - natürlich nicht ohne Sicherheitskontrollen - vorbei am Platz des himmlischen Friedens, der in leuchtendem Rot erstrahlte - im noch jungen 71. Jahr der Volksrepublik.


Übrigens, braucht noch jemand schönes neues Geschirr?


Keine Lust mehr auf Döner-Teller? Wie wär's mal mit'nem Mao-Teller?

Apropos, alte Freunde. Sonntagabend vor meinem Stullenteller sitzend, erreicht mich eine Nachricht meiner Lieblingskollegin. Sie wolle mir etwas überreichen. Schnell Jogginghose gegen eine richtige Hose eingetauscht, eile ich zum vereinbarten Treffpunkt. Mit einer Dose selbstgemachtem Hühnerfrikassee kehre ich zurück.
Zur Zeit geht's mir hier richtig gut. Nicht nur wegen des Hühnerfrikassees, aber auch.


Sonntag, 20. Oktober 2019

68| mittendrin statt nur dabei

Damit meine ich nicht etwa die Baustelle vor meinen Fenstern, auf der 7 Tage die Woche von Sonnenauf- bis - untergang und meist noch darüber hinaus mit allem gearbeitet wird, was Lärm verursacht.


Ich meine damit auch nicht die Musikauswahl meines Pekinger Haus- und Hof-Radiosenders "Hit FM 88.7 - never stop the beat", der mich vor ein paar Tagen nicht nur mit Hits von Ed Sheeran, Beyonce, Justin Bieber oder Taylor Swift beschallt, sondern auch mit "Aloha Heja He" überrascht hat. 
Von Achim Reichel!
Von 1991!

Letztes Wochenende war ich bei einer Kollegin eingeladen, die in den Hutongs lebt - mittendrin im alten, im ursprünglichen Peking.


Bei dem einen oder anderen Bierchen auf ihrer Dachterrasse wurde mir bewusst, dass ich zuvor noch gar nicht wirklich in den Hutongs unterwegs war, allenfalls mal dran vorbei oder auf einen Abstecher hinein. Das habe ich heute, Sonntag, den 20. Oktober, geändert.
Rund um die Verbotene Stadt findet man immer noch diese engen Gassen mit den traditionellen chinesischen Siheyuan-Wohnhäusern. Vier der ein- bis zweigeschossigen, aus grauem Stein gebauten Häuser sind jeweils um einen gemeinsamen Innenhof angeordnet. In diesem oder auf der Straße spielt sich auch heute noch das Leben der Bewohner ab. Immer mehr dieser Hutongs müssen allerdings moderner Wohnbebauung weichen oder werden saniert und mit Läden, Bars und Restaurants aufgehübscht, damit zahlungskräftige Einheimische und Touristen ihr Geld dort lassen. 
Ich startete meinen Rundgang bei den Bell and Drum Towers, die sich am nördlichen Ende der etwa 8 km langen zentralen Pekinger Nord-Süd-Achse befinden.


Beide Türme sind etwas weniger als 50 Meter hoch, wurden 1272 erbaut und dienten während der Yuan-, Ming- und Qing-Dynastie zum Ansagen der Zeit nach dem Prinzip "Morgenglocke" und "Abendtrommel". Im Trommelturm werden historische Relikte und Nachbildungen gezeigt, im Glockenturm hängt eine 63 Tonnen schwere Glocke, die größte ihrer Art in China.


Ein China-Reiseführer warnt: "Der Aufstieg ist nicht für Personen geeignet, die nicht sportlich genug oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind." Ich habe es trotzdem geschafft. Aber die Treppen hinauf auf beide Türme sind tatsächlich mega steil.


Von beiden Türmen hat man einen ganz guten Blick auf die sie umgebenden Hutongs. Und man konnte überhaupt etwas sehen, weil heute die Luftwerte nicht mehr so katastrophal waren wie Freitag und vor allem den ganzen Samstag.


Von den Türmen bin ich zunächst in östliche Richtung geschlendert und habe mich dann einfach treiben lassen durch touristisch stärker frequentierte Gassen...


...aber auch durch sehr beschauliche und fast menschenleere Gassen.


In der U-Bahn auf dem Weg nach Hause habe ich dann noch etwas ja irgendwie ganz romantisches oder vielleicht sogar tragisches beobachtet. Mit mir zugestiegen ist ein Mädchen mit Kopfhörern auf und vertieft in ihr Handy. Neben ihr stand ein Junge mit Kopfhörern und vertieft in sein Handy. Als er die Bahn verließ, hielt er dem Mädchen wortlos sein Handy hin, auf dem etwas geschrieben stand. Der Text war offensichtlich so kurz, dass das Mädchen ihn innerhalb dieser einen Sekunde lesen konnte. Der Junge verschwand, das Mädchen überlegte kurz, verließ die Bahn, blieb aber auf dem Bahnsteig stehen, ging wieder zurück, stieg noch einmal aus, verharrte kurz und kam wieder in die Bahn zurück. Die Türen schlossen sich, und vielleicht werden sich die Beiden nie wieder sehen. Nagut, da war ich nur dabei.
Mittendrin stecke ich dann wieder nächstes Wochenende - in einem Berg von Arbeit.


Montag, 14. Oktober 2019

67| black & white

Da müssen erst wieder die Chinesen kommen um der Welt den wahren Sinn des Oktoberfestes nahe zu bringen.


Von wegen Volksfest oder so. Es ist das Acht-Bier-Fest. Punkt. 

Von meinen nächsten Reisen, über die ich hier gerne wieder berichte, trennen mich noch 9 Wochen aufopferungsvoller Arbeit. Die soll hier aber weiterhin nicht im Vordergrund stehen. Was kann ich in der Zwischenzeit jedoch den Leserinnen und Lesern bieten, die meinen Blog nunmehr über 3000 Mal aufgerufen haben? Ich freue mich sehr über das anscheinend immer noch bestehende Interesse. 

Neben ein wenig Lesestoff gab es in den bisherigen 66 Posts auch 765 Bilder oder vereinzelt kleine Videosequenzen anzuschauen. Gespeichert habe ich fast doppelt so viele Bilder, aufgenommen während meiner bisherigen Zeit hier wahrscheinlich mehr als dreimal so viele. Das hat meine Freude an der Fotografie wieder neu entflammt. Schon in meiner Kindheit habe ich gerne fotografiert. Meinen ersten Fotoapparat, eher eine Lochkamera aus Plastik, besitze ich heute noch. Das einfachste und billigste Modell, das in der DDR der 80-er Jahre zu haben war. 


Meine beirette SL100 liegt mit Handschlaufe und original Kunstlederhülle in irgendeinem Karton in einem Lagerabteil in Hamburg. 
Man musste sehr viel mehr Wert auf das Motiv legen, wenn nur ein Zwölfer-Schwarzweiß- oder später ein Sechsunddreißiger-Farbfilm in den Fotoapparat eingelegt war. Und dann diese tagelange Spannung während der Entwicklung beim Fotografen: Sind die Bilder was geworden und wenn ja, was ist drauf? Heute drückt man ab, guckt auf's Display, löscht oder speichert, schneidet zurecht, legt'n Filter drüber, fertig.
Ich möchte an dieser Stelle zu den Anfängen meiner Fotografie zurückkehren. Nein, ich werde hier keine krisseligen, unterbelichteten und unscharfe Aufnahmen von Menschen in furchtbarer Kleidung, mit schrecklichen Frisuren und noch grauenvolleren Brillengestellen, also keine Kinderbilder von mir zeigen. Aber Bilder in schwarz-weiß.
Ich finde, ein solches Bild entfaltet oft nochmal eine ganz andere Wirkung als dasselbe Bild in Farbe. Und darum habe ich für die Rubrik "black & white" eine Auswahl von Aufnahmen aus den letzten Monaten zusammengestellt.

Treppen...


... in Tokio,


... in Dalian,


... in Nanjing und


... in Peking.

Tore...


... in Dalian,


... in Hiroshima,


... in Tokio und


... in Shanghai.

Alte Bauwerke...


... in Yangon,


... in Nanjing,


... in Peking und


... in Shanghai.

Moderne Gebäude...


... in Hong Kong,


... in Dalian,


... in Shanghai und


... in Peking.

Ich hab noch weit mehr Schwarz-Weiß-Bilder.
Demnächst gibt's bestimmt nochmal black & white 2.0.

In Peking ist inzwischen der Herbst eingekehrt - für mich die schönste Jahreszeit hier.
Und neuerdings spielt einer meiner Nachbarn Bongos.