Samstag, 11. Juli 2020

85| Ohne Blick zurück...

... kein Blick nach vorn.


Danke all denen, die in den letzten zwei Jahren gelegentlich oder regelmäßig meinen Blog verfolgt haben. Gerade die beiden letzten Posts haben die Zahl der Aufrufe nochmal ordentlich ansteigen lassen. Es sind mittlerweile über 5000. Drama zieht.
Mit der Zeit ist der Blog für mich immer mehr zu einem Tagebuch geworden, an dem ich sehr gerne geschrieben habe und in dem ich sicher noch häufig wehmütig schmökern werde, vor allem wenn mich der Alltag in Deutschland längst wieder eingeholt haben wird.

Was bleibt?
Ich habe einen großen Schritt heraus aus meiner Komfortzone gewagt und er ist geglückt. Da hätte ich vorher nicht unbedingt drauf wetten mögen.
Ich habe den Alltag in einem völlig anderen Kulturkreis, unter widrigen (sommerlichen) klimatischen Bedingungen, trotz einer für mich kaum erlernbaren Sprache, trotz Knoblauch, Zwiebeln und Koriander im Essen gemeistert. Ganz ohne Unterstützung wäre mir das sicher nicht geglückt. Danke vor allem an die "Pekinger Musketiere".
Ich habe neue berufliche und Lebenserfahrungen gesammelt, großartige Menschen kennengelernt, spannende Länder bereist, habe dabei weit über meinen Tellerrand hinausgeschaut und desöfteren über meinen Schatten springen müssen. Eigentlich hoffte ich auch, zwei Jahre Peking würden dicke ausreichen, mich in Geduld zu üben. Das ist mir dann aber doch nur ansatzweise gelungen. Aber gut, eine Schwäche ist erlaubt.
Nicht vermissen werde ich Megafone, WebEx, den Pekinger Straßenverkehr, Rund-um-die-Uhr-Überwachung, rotzende Mitmenschen (Die Liste ist unvollständig).
Fehlen wird mir das Wagas, der Sonnenuntergang in den Bergen,


die WMF-Kaffeemaschine auf der Arbeit, tatsächlich auch wechat-pay und so manches mehr, doch vor allem viele liebe Menschen, die ich hier kennenlernen durfte, mit denen ich super wandern, quatschen, trinken, auf die ich mich verlassen, mit denen ich herrlich rumalbern konnte.
Nun heißt es, in Deutschland privat und beruflich wieder Fuß zu fassen. Bezüglich Wohnung hat sich zumindest eine interessante Option ergeben. Mal schauen. Und für den beruflichen Neustart muss ein Kugelschreiber erstmal reichen. Mehr Arbeitsmaterialien habe ich zur Zeit nicht zur Verfügung.

Trotz Höhen und Tiefen kann ich nach diesen zwei aufregenden und intensiven wie anstrengenden Jahren jedem, dem sich auch solch eine Chance bietet, nur empfehlen sie zu ergreifen. Ich würde es wieder tun. Also wer weiß, vielleicht heißt es in 3 Jahren hier "Leben und Arbeiten in Moskau" oder "Leben und Arbeiten in Nairobi". Es bleibt spannend.


Zaijian! 


Montag, 29. Juni 2020

84| Die Odyssee

1| Der Auszug (29.06.)
Es ist geschafft. Nach mehrmaligem Ein-, Aus- und Umpacken, Experimentieren mit gefalteter, gerollter, gestopfter und geknüllter Kleidung habe ich nun alle vier Koffer und Taschen mehr schlecht als recht zugekriegt. Etliches muss trotz allem hier bleiben. Blöd, aber leider nicht zu ändern. Abschließend hab ich nochmal gründlich durch die Bude gefeudelt. Wahrscheinlich ist sie jetzt sauberer als am Tag meines Einzugs.

2| Das 1. Hotel (29.06.)
Nur wenige Schritte von meinem compound entfernt, ist das Hotel eigentlich ein alter Belannter, war ich doch am Anfang meiner Pekinger Jahre schon mal Gast hier. Damals ein abgerocktes "ibis", ist es inzwischen ein renoviertes "neo citigo".


Das Zimmer ist nicht wirklich groß, aber ganz modern und vor allem sauber.


Der Check-in war - wie in China üblich - etwas aufwändiger mit mehrmaligem Kopieren des Passes, Scannen mehrerer Apps, Ausfüllen chinesischer Formulare. All das mit Unterstützung durch Translator-Apps, ist doch das Englisch der Rezeptionsdame genauso rudimentär wie mein Chinesisch.
Nu chill ich erstmal kurz auf'm Bett, bevor ich den letzten Schwung Gepäck hole. Und nachher gibt's noch ein Feierabend-Tsingtao auf der Hotel-Terrasse. Das kann ich wenigstens auf chinesisch bestellen.

3a| Die Wohnungsübergabe (30.06.)
Die hat schon mal nicht so geklappt wie geplant. Meine Maklerin hat leider den Termin verbummelt: "sorry, I totally forgot." Neuer Versuch: Heute am späten Nachmittag. 
Tja, auch der ist nicht zustande gekommen. Momentan ist meine Maklerin gar nicht zu erreichen. Ich will meine 2000 € Deposit wiederhaben.
Am Abend dann ein neuer Terminvorschlag: Morgen 10:00 Uhr. Die Kaution wird's aber erst nach einem etwa einwöchigen Prüfungsprozess zurück geben. Aha. Ob ich meine Kohle jemals wiedersehe? Den Abend haben wir im Kollegen- und Freundeskreis bei BBQ, Bier und Cocktails in der "Fressgasse" ausklingen lassen.


3b| Die Wohnungsübergabe (01.07.)
Heute nun hat es geklappt. Meine Maklerin war zwar nicht anwesend, dafür ein ausschließlich chinesisch sprechender Vertreter, aber wat soll's. Alles war tipi topi, obwohl er sehr intensiv nach Mängeln gesucht hat. In 3 - 5 Tagen soll ich die volle Kaution zurücküberwiesen bekommen. Bin ich ja mal gespannt. 
Mittags habe ich mich dann im Fitnessstudio abgemeldet, obwohl die Dame mein Begehr nicht so richtig verstand und immer wieder fragte, wann ich denn zurückkehren würde. 
Eine gut englisch sprechende Kollegin hat zudem für mich noch einen Termin in einer internationalen Klinik für einen Nukleinsäuretest vereinbart. Ein solcher negativer Test ist Grundvoraussetzung um Peking überhaupt verlassen zu können. Bezüglich der Charterflüge gibt es ärgerlicherweise nachwievor keinerlei Infos, sodass ich nun auf Plan B umschalten und morgen versuchen werde, auf einen Air-China-Flug nach Kopenhagen (montags) oder nach Paris (mittwochs) zu kommen. Umrahmt wird dieser Buchungsversuch morgen von einer Frühstücksverabredung am Vormittag und einem Grillfest am Abend.
Und ebenfalls heute ist Pekings äußerst umstrittenes nationales Sicherheitsgesetz für Hong Kong in Kraft getreten. Das Ende der Autonomie? 

4| Die 1. Buchung (02.07.)
13:40 Uhr habe ich nach einigen Anläufen und Wutanfällen die Bestätigungen für eine Flugbuchung nach Kopenhagen am kommenden Montag und zwei Stück Übergepäck erhalten. Was ich dafür hinblättern musste, sage ich hier lieber nicht. Nur soviel, der reiche Onkel aus Schina kommt zu Besuch. Wenn mit dem Flug alles klappt, betritt er am 06.07.2020 um 18:45 Uhr wieder europäischen Boden.
Angedacht habe ich, eine Nacht in Kopenhagen zu verbringen um am nächsten Tag nachmittags mit dem Zug weiter nach Deutschland zu fahren. Das war möglicherweise etwas zu kurz gedacht, immerhin komme ich nicht aus Ballerup, sondern aus Beijing. Auf meine Anfrage hin schreibt mir jedenfalls das Hotel, dass es grundsätzlich zwar wieder Gäste empfängt, in meinem speziellen Fall aber verweist es an die dänischen Grenzbehörden. Sollte ich den Transitbereich des Flughafens nicht verlassen dürfen, greift Plan C und ich werde wohl oder übel einen weiteren Flug buchen müssen. Lufthansa bietet da was Teures über Frankfurt an. 
Übrigens exakt in diesem Moment ploppt bei mir auch eine E-Mail zu den Charterflügen mit nur einer wesentlichen Information auf, nämlich dem geplanten Flugdatum. Geschenkt.

5| Der Test (03.07.)
Seit den Neiinfektionen im Juni hat Peking massiv aufgerüstet. Bei 300000 und mehr Tests am Tag sind mittlerweile um die 8 Millionen Pekinger auf das Coronavirus getestet. Und ich heute auch zum wiederholten Mal. Diesmal auf dem Parkplatz eines Krankenhauses. Der Rachenabstrich erfolgte durch das vergitterte Fenster eines Baucontainers.


Zum einen hoffe ich jetzt, dass der Test negativ ausfällt, zum anderen, dass das Ergebnis überhaupt rechtzeitig vor dem Flug am Montag ankommt. 

6| Die 2. Buchung (03.07.)
Dänen lügen nicht. Glaubhaften Informationen zufolge werde ich in Kopenhagen keine Hotelübernachtung buchen und das Flughafengebäude nur verlassen können, wenn ich mit einem gültigen Zugticket meine unmittelbare Weiterfahrt nach Deutschland nachweisen kann. Ein solches Ticket habe ich nun. Gegen Mitternacht geht's vom Kopenhagener Hauptbahnhof los. Mit Zwischenhalten an etlichen Milchkannen rumpelt der Zug dem Sonnenaufgang entgegen und wird nach etwa sechsstündiger Fahrt sein Ziel erreichen. 
In diesem Moment kursiert die Nachricht, dass kein negativer Nukleinsäuretest mehr vorgelegt werden muss, wenn man aus einer low-risk-area kommt und Peking verlassen möchte. Ich bin hier in einer low-risk-area.
Dafür erreichte mich heute nachmittag eine Nachricht aus Deutschland, die mich wirklich zurückgeworfen hat. In einer Anfrage an das Appartementhotel, in dem ich mich eigentlich für 3 bis 4 Wochen einmieten wollte, erwähnte ich, dass ich aus China nach Deutschland zurückkehre. Das war keine gute Idee. Eigentlich ging es in meiner Anfrage um etwas ganz anderes, die Antwort war aber ein herber Rückschlag: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt uns noch keine amtliche Erklärung vor, dass die Einreisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen für Ankünfte aus China gelockert wurden.Wir bedauern es sehr und bitten um Ihr Verständnis, dass wir Ihnen nach dem aktuellem Stand der zur Verfügung stehenden Informationen trotz verfügbarer Kapazitäten im 🏫 kein Angebot für den Aufenthalt mit Ankunft am 07.07.2020 unterbreiten können."
Morgen muss ein Plan D her. Keine Ahnung, wie der aussehen könnte. Ich mag und ich kann langsam nicht mehr.

7| Ein letzter Versuch (04.07.)
Heute habe ich mich nochmal intensiv auf den Seiten des BMG und des RKI über die mich betreffende aktuelle Lage informiert. Danach sind nur diejenigen Reisenden, die aus Drittstaaten in die Bundesrepublik einreisen, verpflichtet, sich unverzüglich in eine 14-tägige Quarantäne zu begeben, die sich innerhalb von 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben. Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts vom 03.07.2020 gehört China nicht zu den Risikogebieten. Dies habe ich auch dem Appartementhotel mitgeteilt in der Hoffnung, dass ich dort doch noch wie geplant einen Longstay-Aufenthalt buchen kann.

8| Noch 24 Stunden China (05.07.)
Das Ergebnis meines Coronatests ist gerade noch rechtzeitig angekommen. Der Flughafen-Shuttle für morgen mittag ist organisiert. Bezüglich meiner Kaution habe ich bisher nur die Info, was aufgrund von ausstehenden Nebenkosten noch abgezogen wird. Das Appartementhotel hat sich auf meine Nachricht bisher nicht nochmal gemeldet. Der Online-Check-In für den Flug ist nicht möglich. Und es ist ein komisches Gefühl, an manchen Orten das letzte Mal gewesen, manche Wege zum letzten Mal gegangen zu sein.

9| Der Flug (06.07.)
Auf dem Weg zum Flughafen zeigt uns der Fahrer unseres Busses einen laminierten Zettel, auf dem in Englisch geschrieben steht, was wir im Falle einer Polizeikontrolle sagen sollen, nämlich dass wir mit dieser Fahrt keinen Taxi-, sondern einen Freundschaftsdienst in Anspruch nehmen. Um das Flughafengebäude zu betreten, ist ein erster Gesundheitscheck zu bestehen, meinen negativen Coronatest will jedoch niemand sehen. Um in den Abflugbereich zu gelangen, muss eine App heruntergeladen und mit einer Menge von Daten gefüttert werden. Dann wirft sie einen QR-Code aus, der beim eigentlichen Gesundheitscheck nur gescannt werden muss. Es dauert eine Ewigkeit. Das Personal scheint überfordert, soll doch für jeden Passagier anschließend noch ein Blatt ausgedruckt werden.


Nach einer Weile kommt einer der Mitarbeiter auf die Idee, die Papierschublade des Druckers zu öffnen. Und siehe da, es liegt nur noch ein halb zerrissenes Blatt drin. Doch es geht trotzdem nicht voran. Nach langen Minuten des Wartens ist schließlich der Fehler gefunden. Der Drucker war nicht angeschaltet.
In Zeitlupe erfolgte anschließend auch die Sicherheitskontrolle. Ein Glück, dass wir drei Stunden vor Abflug am Airport waren und unser Flug der einzige internationale Flug dieses Tages war.


Der Flieger selber war schon bisschen abgewohnt, die Bordunterhaltung konnt man vergessen, aber wenigstens gab's was zu essen und stilles Wasser. Überpünktlich um 18:24 Uhr Landung in Kopenhagen. Hier habe ich noch ein wenig Zeit verbracht mit Kollegen, die wie ich noch eine Weiterreise vor sich haben.

10| Die Zugfahrt (07.07.)
Gegen 22:45 Uhr war ich am Kopenhagener Hauptbahnhof, von dem es 1 Stunde und 20 Minuten später los gehen sollte.


Eine Bahnfahrt in einem schrammeligen Zug, die sich endlos hinzieht. In diesem Moment ist es 04:15 Uhr (in Peking wäre es schon 10:15 Uhr) und draußen zieht plattes Land vorbei.


Ich bin seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen und noch ist die Odyssee nicht vorbei.

11| Das 2. Hotel (07.07.)
Pünktlich wie die Maurer fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Gepäck zum Taxistand gewuchtet und ab zum Hotel. Dort konnte ich schon - trotz sehr früher Stunde - ein Zimmer, oder besser eine Koje beziehen. Wahrheitsgemäß kreuzte ich an, dass ich die letzten 14 Tage in keinem Risikogebiet war. Den wahren Ursprung meiner Reise verschwieg ich.


Ich bin frisch geduscht und draußen kreischen die Möwen. Die Elbe ist nur einen Steinwurf entfernt.


Und gleich geht's zum Bäcker auf'n Pott Kaffee und zwei Mett-Brötchen.
Aber auch jetzt ist die Odyssee noch nicht vorbei. In diesem Hause hab ich mich erstmal nur für die ersten beiden Nächte eingemietet. Und hier sitze ich nun und telefoniere mit meiner Versicherung, meinem Hausarzt, dem Gesundheitsamt. Infolgedessen bin ich dann gleich noch nach Pinneberg gefahren, weil meine dortige Hausarztpraxis Coronatests durchführt. Läppische 150 € kostet mich dieser eigentlich völlig unnötige Spaß, aber das Appartementhotel besteht auf  einen aktuellen Test, worüber übrigens auch der Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, mit dem ich vorhin telefonierte, nur den Kopf schütteln konnte. Aber sei's drum. Der wahre Kulturschock des Tages war Pinneberg selber. Vor kurzem noch Peking, jetzt Pinneberg. Einen größeren, vom menschlichen Verstand noch verarbeitbaren Kontrast kann es nicht geben.
Und mein Jetlag schlägt jetzt - nach mehr als 36 Stunden auf den Beinen - mit aller Wucht zu. Heute geht's früh ins Bett.

12| Durchatmen (08.07.)
Nach erholsamer Nacht (gut, kurz nach 3 Uhr morgens war ich kurzzeitig mal hellwach) habe ich heute vormittag mal nur geatmet. Saubere, frische Luft, bei um 20 Grad tieferen Temperaturen als in Peking.


Dass die Möwe mich nach diesem Filmchen angreifen wollte und eine halbnackte, offensichtlich völlig zugedröhnte "Dame" mittleren Alters zu Techno aus dem Handylautsprecher tanzend an mir vorbeischwebte, erleichtert mir das Ankommen in Hamburg.
Und bei Pfefferminztee sitz ich nun gerade im Hotel und kümmer mich bisschen um Organisatorisches.
Feierabend. Genug geatmet und organisiert.


13| Das Appartement (09.07.)
Während ich heute morgen bei Regen und 12°C auf und an den Landungsbrücken noch ein bisschen geatmet habe, kam das Ergebnis meines PCR-Tests. Wie erwartet, negativ. Nun sollte meinem Umzug nacher ins serviced Apartment nichts mehr im Wege stehen.
Die Taxifahrt einmal quer durch die Stadt hat mich an Peking erinnert, was den Stau angeht. Für die Kosten allerdings hätte ich dreimal quer durch ganz Peking fahren können. Is nu so. Jedenfalls bin ich jetzt für die nächsten Wochen am vorläufigen Ende meiner Odyssee.


Hier lässt es sich'ne Weile aushalten. Jeden Morgen Frühstück und zweimal die Woche wird durch die Bude gefeudelt. Allerdings werde ich nochmal mit dem Front Office Manager ins Gespräch kommen. Denn niemand hat sich für meinen 150 Euro teuren Coronatest interessiert.
Dafür hab ich inzwischen meine Kaution zurücküberwiesen bekommen, und sogar mehr als ich erwartet habe. Sicherheitshalber hab ich flugs mein chinesisches Konto bis auf den letzten Groschen leergeräumt.
Und ich werde jeden Groschen brauchen, wenn ich denn eine neue Wohnung gefunden habe. Irgendwann.



Donnerstag, 4. Juni 2020

83| Das wahre Abenteuer...

... beginnt vermutlich erst jetzt.
Mein Zwei-Jahres-Vertrag läuft Ende Juli 2020 aus. Obwohl ich nochmal alles in die Waagschale geworfen habe, ist aus verschiedenen Gründen eine Verlängerung um ein weiteres Jahr leider nicht möglich gewesen. Und so muss ich zusehen, wie ich zeitnah nach good old germany komme, denn schon Anfang August erwartet mich mein neuer, alter Arbeitgeber zum Dienstantritt. Eine romantische Rückfahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn und'nem Zwischenstopp am Baikalsee fällt somit schon mal flach.
Doch China hält aktuell auch an seinen Beschränkungen für internationale Flüge noch mindestens bis Anfang Oktober fest. Und das heißt, die seit März gültige "Fünf-Eins-Regel", die jeweils einer Fluggesellschaft einmal pro Woche einen Flug auf einer Strecke in ein Land erlaubt, gilt weiter. Konkret bedeutet dies, dass z.B. die Lufthansa pro Woche nur auf einer Strecke (im Moment ist Shanghai die Destination) nur einen Flug anbieten darf. Damit ist die Auswahl an Flügen in die andere Richtung natürlich entsprechend bescheiden. 


Peking als besonders geschützte Hauptstadt nimmt zudem noch eine Sonderstellung ein. Masche mancher Fluggesellschaften ist obendrein, auf ihren Seiten Tickets für Flüge zu verkaufen, die von chinesischer Seite gar nicht genehmigt sind. 
Dass ich  - wie ursprünglich mal geplant - Anfang Juli ganz entspannt in einen Flieger nach Deutschland steige, kann ich gegenwärtig wohl knicken.

Am 30.05.2020 startete indessen die "Luftbrücke umgekehrt" mit einem ersten Charterflug von Deutschland nach China - ausklamüsert von der deutschen Handelskammer in Kooperation mit der Deutschen Botschaft in Peking und chinesischen Behörden. An Bord 200 Manager, Führungskräfte und andere Wirtschaftsvertreter sowie ihre Angehörigen. Dass nun blöderweise gleich bei diesem ersten Sonderflug ein Passagier positiv auf das Coronavirus getestet wurde, lässt eher skeptisch auf weitere solcher Sonderflüge blicken. Der zweite in Frankfurt gestartete Charterflug ist aber planmäßig am 04.06. in Shanghai gelandet. "Gestrandete Manager nach China zurückgekehrt" - berichtet Spiegel.de wie von einer Rettungsaktion für gestrandete Buckelwale. 
Ausschließlich wirtschaftliche Interessen stehen hinter diesen Sonderflügen. Und mehr als 2000 weitere Wirtschaftsvertreter sollen an einer solchen Luftbrücke interessiert sein. Doch was ist mit denen, die nach Deutschland zurückkehren wollen bzw. müssen?
Wir ausreisewilligen Kollegen haben uns deshalb an die Deutsche Botschaft in Peking gewandt mit der Bitte um Unterstützung, wie auch immer die letztlich aussehen könnte. Vielleicht holt uns Heiko Maas hier raus, wie damals im April die auf der ganzen Welt gestrandeten Urlauber. Oder AKK kommt mit'ner Transall vorbei, falls eine einsatzbereite Maschine zur Hand ist. 
Mein Mietvertrag läuft jedenfalls zum 30.Juni, mein Visum in der zweiten Augusthälfte aus. Und was ist, wenn ich tatsächlich irgendwann in Deutschland aufschlage? Ich habe keine Wohnung, kein Auto und so gut wie keine Möbel, nur ein bisschen Krimskrams. Nach aktuellem Stand werde ich mich nach Ankunft an meinem Zielort ohnehin erstmal in eine 14-tägige Quarantäne begeben müssen. 
Sommer 2020 - brauch' den jemand oder kann der weg? 

Freitag, der 05.06.: Heute konnte ich einen Großteil meiner Arbeits- und Büromaterialien - immerhin zwei IKEA-Taschen voll - einer Kollegin in den Flur stellen. Noch im Juni soll ihr Container gepackt und auf die Reise über die Weltmeere geschickt werden, und wenn alles gut geht, Mitte - Ende August in Deutschland ankommen. Puuh, ein Problem weniger. Postpakete von China nach Deutschland zu schicken, ist ungleich komplizierter und kostspieliger als andersherum. Eines werde ich vielleicht trotzdem noch einem berittenen Boten der China Post mitgeben.


Übergepäck auf Flügen ist schweineteuer und unter den gegenwärtigen Bedingungen möglicherweise auch gar nicht drin. 

Montag, der 08.06.: Gestern 36°C, heute 37°C - nein, nicht bei einer der zahllosen Körpertemperaturmessungen, die man hier immer noch über sich ergehen lassen muss. Das sind Pekings frühsommerliche Temperaturen. Bei mir im Fitnessstudio darf man wenigstens wieder duschen, der Pool soll auch bald wieder - wenn auch nur an zwei Tagen in der Woche - öffnen. An der Rückreise-Front nix neues. 

Donnerstag, der 11.06.: Ein kleiner Silberstreif am Horizont. Zwar nicht hervorgerufen durch Flugzeuge internationaler Fluggesellschaften; da ist nachwievor dunkeltuten angesagt. Auch nicht wirklich von chinesischen Fluggesellschaften. Die fliegen zwar Europa etwas regelmäßiger an (Deutschland lediglich einmal die Woche von Shanghai aus), aufgrund ihrer momentanen quasi Monopolstellung rufen sie aber Ticketpreise auf, bei denen man sich schon fragt: "Buche ich einen Flug oder kaufe ich ein Flugzeug?" Haustierbesitzer unter den Kollegen berichten zudem von Kosten für ihren Hund oder ihre Katze von bis zu 10000 Euro pro Tier. Zerschlagen hat sich seit heute auch die Hoffnung, dass Heiko oder Annegret uns holen kommen. Aber ein wenig hoffnungsvoll stimmt eine Nachricht, die uns ebenfalls heute über die Deutsche Botschaft in Peking erreichte. Im Juli sollen drei weitere Charterflüge für Wirtschaftsvertreter von Deutschland nach China stattfinden. Diese werden aber nicht - wie die letzten Male - leer zurückfliegen, sondern wir können uns auf eine Warteliste setzen lassen. Die Flüge gehen zwar leider nicht ab Peking, sondern von Qingdao, aber so wäre vielleicht noch eine Tsingtao-Brauereibesichtigung drin. Sehr viele Fragen bleiben für's erste ungeklärt, mein Stress-Level steigt von Tag zu Tag, aber immerhin ein kleiner Silberstreif am Horizont. 

Freitag, der 12.06.: Nach heutiger Info laufen anscheinend erst Verhandlungen mit chinesischen Behörden um auf den Rückflügen Passagiere nach Deutschland mitnehmen zu dürfen: "Hierdurch ergäbe sich im Erfolgsfall eventuell eine Möglichkeit für eine Rückreise nach Deutschland." 
Eine Terminauswahl kann jedoch nicht getroffen werden. Weder die finalen Kosten, noch die erforderlichen Voraussetzungen um einen solchen Flug antreten zu dürfen sind geklärt. Ebenso gibt es zur Zeit keine Angaben zur Gepäckregelung und zur Verpflegung. Trotzdem habe ich mich heute für die Warteliste registrieren lassen. 2 Wochen vorher soll bekannt gegeben werden, ob überhaupt ein Flug stattfindet und ob man auf der Passagierliste steht. Tja, das ist ein bisschen wie an der Losbude auf dem Rückreiserummel. Ich werde parallel dazu weiterhin die Flugpläne zahlreicher Airlines und die Regelungen im internationalen Flugverkehr im Auge behalten. 

Samstag, der 13.06.: Seit Donnerstag gibt es eine Handvoll neuer Infektionsfälle in Peking. Ursprung ist ein Großmarkt im Südwesten der Stadt. Mittlerweile sind 45 Personen positiv auf das Virus getestet, Tausende aus dem Umfeld des Marktes sollen noch getestet werden.
Mehrere Wohngebiete sind daraufhin abgeriegelt, mehrere Schulen und Kindergärten geschlossen worden. Auch meine Arbeitsstelle ist in geringem Ausmaß betroffen. Und in meinem Fitnessstudio ist nun wieder Duschen verboten. Für den ohnehin massiv eingeschränkten Flugbetrieb werden die aktuellen Entwicklungen bestimmt auch nicht förderlich sein. Geht womöglich alles von vorne los? 

Sonntag, der 14.06.: Heute habe ich mich weder mit der Suche nach Flügen, noch mit der Wohnungssuche beschäftigt. Bringt ja eh nix. Stattdessen gab's grad im Wagas Käffchen und Cheesecake. Die haben in ihrer Playlist tatsächlich immer noch Weihnachtslieder, während draußen die Sonne bei 35°C erbarmungslos vom Himmel knallt. Und im Laufe der Woche steigt das Thermometer weiter auf 38°C. Hallelujah. 

Dienstag, der 16.06.: Während in Deutschland endlich die Corona-Warn-App an den Start geht, steigt in Peking die Zahl der Neu-Infektionen derweil auf über 100. Weitere Märkte und Wohnviertel wurden daraufhin abgeriegelt, zehntausende Personen am Wochenende getestet. Erste Köpfe vermeintlich Verantwortlicher mussten rollen. Und in einigen Provinzen Chinas sind Reisewarnungen für Peking ausgesprochen worden, aber ich will ja raus.
Die FAZ nimmt Bezug auf die parteinahe chinesische Zeitung "Global Times", die sich zwar dafür ausspricht, die Sonderregelung für die drei für Juli geplanten Charterflüge aus Deutschland aufrechtzuerhalten. Macht auch Sinn, sind die aktuellen Fälle immerhin nicht importiert:


Doch allein, dass ein solcher Zusammenhang hergestellt wird, stimmt irgendwie wenig optimistisch. Naja, den Blick in die Zukunft kann man erstmal vergessen, der Blick aus dem Fenster ist (manchmal) besser.


Mittwoch, der 17.06.: Samstag fragte ich mich noch, ob alles wieder von vorn beginnt. Das war eigentlich eher rhetorisch in die Weite des Alls hinaus gefragt. Heute morgen gab's die Antwort, nicht rhetorisch, sondern ganz real: Ja. Bis auf weiteres ist unsere Arbeitsstelle wieder geschlossen. Für ganz Peking ist die zweithöchste Sicherheitsstufe ausgerufen worden. Das hat eine teilweise Abriegelung der Hauptstadt zur Folge, Flüge von und nach Peking wurden deutlich reduziert. Einwohner aus "Hochrisikogebieten" dürfen die Stadt ohnehin nicht mehr verlassen, alle anderen müssen einen aktuellen Nukleinsäuretest vorweisen, wenn sie aus Peking heraus wollen.
Ein Ende mit Schrecken entwickelt sich zusehends zum Schrecken ohne Ende.

Donnerstag, der 18.06.: Zu allem Übel sind nun wieder zahlreiche VPN-Verbindungen blockiert. Informationsbeschaffung über und Berichterstattung aus Peking unerwünscht?

Freitag, der 19.06.: Heute kam die Info, dass einerseits unsere Registrierung für mögliche Charterflüge von China nach Deutschland erfolgreich war, dass andererseits der erste der drei für Juli geplanten Flüge schon mal nicht stattfindet aufgrund der ungeklärten aktuellen Quarantäne-Regelungen bei Inlandsreisen in China. Kapazitäten bei den anderen geplanten Flügen seien aber durchaus vorhanden. Voraussichtlich kommende Woche wird es weitere Informationen geben. Das werden dann auch die letzten Tage in meiner Wohnung sein. Ab dem 30.06. gehe ich auf unbestimmte Zeit ins Hotel, wenn dieses denn überhaupt Buchungen von Ausländern akzeptiert.

Sonntag, der 21.06.: Als interessante Alternative zu Flugzeugen am Himmel ist heute eine partielle Sonnenfinsternis über Peking zu beobachten. Bei einer Dauer von etwa zweieinhalb Stunden hat die Verdunklung ihr Maximum um 15:50 Uhr erreicht.


Montag, der 22.06.: Heute in einer Woche ziehe ich um. Das Hotel - nur wenge hundert Meter von meiner jetzigen Wohnung entfernt - hat meine Buchung für zunächst eine Woche bestätigt. Mal schauen, wie lange ich dort verweile. Plan A ist weiterhin, auf einen der Charterflüge nach Frankfurt zu hoffen. Plan B ist, einen maßlos überteuerten Air-China-Flug nach Kopenhagen, Stockholm oder Wien zu ergattern und mich von dort auf dem Luft-oder Landweg zum finalen Ziel durchzuschlagen. Doch gerade in diesem Moment erreicht mich - wie so oft in letzter Zeit - eine Nachricht aus dem Kollegenkreis, nach der mal wieder Flüge storniert oder ausgesetzt wurden. Betroffen dieses Mal die Air-China-Flüge von Peking nach Wien.
Das alles mag - vor allem im fernen Deutschland - abenteuerlich und spannend klingen, und lange habe ich diese Gegebenheiten als Lebenserfahrung für mich angenommen. Doch mehr und mehr schwinden nicht nur meine Gin-Reserven, sondern auch meine mentalen und körperlichen Kräfte und dieser Blog wandelt sich zum Tagebuch eines Albtraums.

Mittwoch, der 24.06.: Heute nun war die offizielle Verabschiedung derer, die Peking (wann auch immer) verlassen werden. Ich gehe mit wahrlich mehr als einem weinenden Auge, habe ich hier doch die Erfahrungen meines Lebens gemacht und großartige Menschen kennengelernt. Eine, wie ich finde, schöne Tradition ist, jedem scheidenden Kollegen einen persönlichen chinesischen Sinnspruch mitzugeben.


Das ist meiner. Die sicher etwas freiere, vor allem aber poetischere Interpretation meines Spruches ist auf jeden Fall schöner als die reine Übersetzung durch meine Translator-App: "reden, lachen, phoenixen."
Und in den nächsten Tagen geht's beim reden und lachen und phoenixen weiter mit einem Abschied auf Raten.

Freitag, der 26.06.: Tja, diese Woche gab's keine weiteren News mehr zu Plan A. Dafür eine inoffizielle Kollegen-Verabschiedung am Chaoyang-Park-See mit Dosenbier, Gin Tonic und einfach tollen Menschen.


Sonntag, der 28.06.: Unser vermutlich letzter gemeinsamer Ausflug neigt sich dem Ende zu. Nach gut anderthalb Stunden Busfahrt zum Mt. Yunmengshan standen wir allerdings vor verschlossenen Toren. Geschlossen wegen Corona. Nach längerem Hin und Her machten wir Halt am Yanqi See im Nordosten der Stadt. Wahrlich nix spektakuläres, aber eben auch nur 2. Wahl.


Zum Abschluss gab's Cappuccino im Sunrise Kempinski.


Ein Hotel, geformt wie ein Diskus am Ufer des Sees. Nach zwei Temperaturmessungen und Scannen zweier Gesundheits- und Tracking-Apps konnten wir die Hotel-Lobby betreten.


Und morgen biege ich dann ein auf die Zielgerade. Ich hoffe, sie wird nicht all zu lang.


Mittwoch, 20. Mai 2020

82| Die Farbe der Hoffnung

Am Montag, den 18.05.2020, hätte ich eigentlich wieder'n Stündchen in Seoul arbeiten sollen. Das wäre eine sehr willkommene Abwechslung gewesen. Stattdessen Woche 14 im Home-Office. Es sieht aber so aus, als könnte Anfang Juni wieder ein Hauch von Normalität durch unsere Arbeitsstelle wehen. Eine Dienstbesprechung in wenigen Tagen hätte etwas Licht ins Dunkel bringen sollen. Diese Dienstbesprechung muss jedoch verschoben werden, da es seitens der lokalen Behörden bisher keine konkreten Informationen gibt. Eine Rückkehr zur politischen Normalität in China läutet indes der am Freitag beginnende Volkskongress ein. Allemal soll das Spektakel mit seinen rund 3000 Abgeordneten signalisieren:


An vielen Straßenkreuzungen stehen nun wieder die Herren in schwarz unter ihren roten Sonnenschirmen und in den U-Bahn-Stationen Uniformierte im Stillgestanden hinter rotem Absperrband - in Corona-Zeiten teilweise auch hinter Glas. Sieht ein bisschen aus wie bei Madame Tussauds. Wär witzig, wenn sie dort überall Prinz Harry aufstellen würden. Immerhin war der doch auch mal in'ner Uniform unterwegs.
Wie obiges Bild erahnen lässt, bietet die einigermaßen freie Zeiteinteilung während des Home-Office durchaus mal Freiraum für Quatsch. Oder für Entschleunigung. So habe ich vor kurzem mal wieder die Unmengen an Bildern (um die 2000) durchgeforstet, die in den letzten Monaten entstanden sind.
Ein paar von ihnen habe ich hier - auch ein klein bisschen nachbearbeitet - unter der Rubrik "black & color" zusammengestellt.

black & green in Beijing:


black & blue in Guangzhou:


black & bronze in Bangkok:


black & yellow in Siem Reap:


black & green in Taipei:


black & orange in Beijing:


black & blue in Taipei:


black & blue in Beijing:


black & maroon in Beijing:


black & purple in Taipei:


black & gold in the air:


black & violet in Beijing:


Als ich heute morgen, am Samstag, den 23.05.2020, um kurz vor 7 mal vorsichtig durch den Vorhang geluschert hab, entschied ich mich trotz zahlreicher abzuarbeitender E-Mails für einen spontanen Ausflug. Das Wetter und die Luftwerte waren einfach zu verlockend. Also, auf nach Kopenhagen. Für eine ausgiebige Radtour. Naja, eigentlich ging's nochmal an den Kaiserkanal. Aber angefühlt hat sich's wie Kopenhagen.


Heutiges Ziel war der Grand Canal Forest Park, südöstlich vom Tongzhou Canal Park, der sich über eine Länge von gut 8 Kilometern auf beiden Seiten des Kaiserkanals erstreckt.


Selbst in manchen U-Bahn-Stationen wird für dieses schöne Fleckchen Erde geworben.


Hübsch. Mein Bild gefällt mir trotzdem besser.


Der 2013 eröffnete riesige Park lässt sich perfekt mit dem Rad erkunden und bietet neben vielfältiger Vegetation und natürlich dem Kanal auch schattige Picknick- und Campingbereiche, bisschen Kunst, Bootstouren, einen Rummel. Und an jeder Ecke bietet sich einem ein neuer toller Blick:


Ebenfalls sehr schön sind die mit Schilf bewachsenen wetlands auf beiden Seiten des Kanals.


Am Ende meiner Radtour angelangt, ließ der Blick in den Himmel nichts Gutes erahnen...


...und zur nächstgelegenen U-Bahn-Station war es noch ein Stück.
Mir blieb nichts anderes übrig, als die Rückfahrt für eine ganze Weile zu unterbrechen und mich einer sozialistischen Wartegemeinschaft anzuschließen.


Relativ trockenen Fußes erreichte ich schließlich die U-Bahn-Station und warf einen letzten Blick zurück auf das abziehende Unwetter.


Mit fettem Sonnenbrand, aber sehr zufrieden war ich gegen 16:00 Uhr wieder zurück in meinem Home-Office.

Mittwoch, der 27.05.2020: Heute nun hat die verschobene Dienstbesprechung stattgefunden. Am kommenden Dienstag soll - nach dann 15 Wochen - das weitgehende Ende der Home-Office-Phase eingeleitet werden. Was folgt, hat aber äußerst wenig mit normalem Arbeitsalltag zu tun. Die Rahmenbedingungen sind eher erschreckend als beruhigend - nicht zuletzt wegen der weit über 100 zu erfüllenden und kontrollierten Auflagen der lokalen Behörden. Der Ausblick auf das nahende lange Wochenende frustrierend. Eigentlich war ein zweitägiger Ausflug geplant. Zum Old Dragon's Head - dort, wo die Große Mauer ins Meer ragt.


Unter Auflagen zwar grundsätzlich möglich, doch zu groß die Unsicherheit, welche Konsequenzen es für uns haben könnte, wenn wir Pekings Stadtgrenzen überschreiten. Also alles wieder storniert.
Und der Ausblick auf den Sommer und die nahe Zukunft mehr düster als erhellend. Dazu bald mehr. Die Farbe der Hoffnung ist zur Zeit jedenfalls nicht grün.


Grün ist aber der Botanische Garten, den eine Kollegin und ich heute, am Samstag, den 30.05., besuchten. Nicht ganz spontan, mussten wir doch 24 Stunden vorher mit Übermittlung unserer Pass-Daten unser Kommen anmelden.
Gelegen im Nordwesten Pekings, unweit der Fragrant Hills, gilt er mit seinen für Besucher zugänglichen 200 ha und 10000 verschiedenen Pflanzenkategorien als der größte botanische Garten Nordchinas.


Am nördlichen Ende des Botanischen Gartens befindet sich der Wofo Si oder Tempel des Schlafenden Buddhas mit einer mehr als 1300-jährigen Geschichte. Die namensgebende 5 m lange bronzene Statue des schlafenden Buddhas von 1321 bekamen wir leider nicht zu Gesicht, da alle Gebäude geschlossen waren, trotzdem eine schöne und friedliche Tempelanlage.


Noch weiter nördlich schließt sich das Cherry Valley an, ein schmales Tal in den Bergen mit einem kleinen Bach. Zu Zeiten der Ming-Dynastie bepflanzt mit Kirschbäumen, daher der Name. Gepflückt haben viele Chinesen zwar auch irgendwas, waren aber keine Kirschen.


So, und während einen Tag zuvor zwei amerikanische Astronauten mit einem Tesla zu ihrer SpaceX-Rakete fuhren...


...fuhren wir zu Viert am Abend des 31.05. zum Essen bei Heidi Lau. Die betreibt aber nicht etwa'ne Wurstbude in Peking, sondern das Haidilao ist eine chinesische Hot-Pot-Restaurantkette. Kann man sich eigentlich vorstellen wie Fondue, wobei das Essen eher zur Nebensache wurde, waren wir doch im weltweit ersten smarten Hot-Pot-Restaurant: Tablets am Tisch, Video-Installationen an der Decke und an den Wänden, Roboter in der Küche, Roboter im Restaurant.


Dann aber doch auch Menschen: jede Menge Service-Personal, ein Nudel--Artist, ein Masken-Tänzer.


Ein Erlebnis allemal, aber lecker Bockwurst mit Senf und Kartoffelsalat an Heidi's Wurstbude wär auch nicht zu verachten.