Freitag, 27. September 2019

65| Nanjing

Seit 12:00 Uhr sitzen wir nun wieder im Zug nach Peking und gleiten mit knapp 350 km/h geschmeidig dahin. Gute viereinhalb Stunden wird der Zug für die Strecke von Shanghai nach Peking brauchen.
Shanghai? Die "Dienstreise" ging doch nach Nanjing. Richtig, gestern brachen wir dort allerdings auf um einen Tag und eine Nacht in Shanghai zu verbringen. Wahnsinns-Metropole.


Auf den ersten Blick sehr international und kosmopolitisch. Nur eben ohne Internet. Seit Mittwoch war kein Durchkommen mit dem VPN mehr möglich. In der mit 24 Millionen Einwohnern größten Stadt der Welt - abgeschnitten vom Rest der Welt. Heute Nacht brachte ein Update meines VPN-Anbieters vorübergehende Besserung. Ich befürchte, das wird nicht lange so bleiben. Drum nutze ich dieses Zeitfenster um hier ein bisschen was runterzuschreiben, bevor es sich wieder schließt. Shanghai spare ich dabei erstmal aus, da ich morgen um diese Zeit ohnehin schon wieder im Zug dorthin sitzen werde. Die umfangreichen Sicherheitskontrollen am Bahnhof gaben bereits einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns morgen und auf unserer Rückreise am kommenden Mittwoch bevorstehen wird. Stinkend und unrasiert werde ich nach Hause zurückkehren, denn das Mitführen von Deospray und Rasierschaum ist - wie ich erfahren musste - in der Bahn nicht erlaubt. 

4 Tage zuvor, Montag, den 23. September, 4:45 Uhr, der Wecker klingelt. 8:30 Uhr startet unser Zug von der Beijing South Railway Station um auf die Minute pünktlich um 12:20 Uhr in Nanjing anzukommen. Nach dem Lunch wurden wir zum Presidential Palace gefahren, der aber geschlossen war, spontan ging's dann zu den Ming Tombs, wo Kaiser Hongwu, der Begründer der Ming-Dynastie, begraben liegt. Wahnsinnig viel zu sehen gab's da allerdings nicht.


Abends nach dem Essen besichtigten wir den Konfuzius-Tempel und die wirklich schöne Altstadt.


Der Dienstag begann mit einer Besichtigung des 1929 erbauten Purple Mountain Observatory.


Nach dem Lunch fuhren wir zum Dr. Sun Yat-sen-Mausoleum. Dr. Sun Yat-sen wurde 1912 zum ersten Staatspräsidenten der Republik China gewählt, womit damals das Ende des Kaiserreiches endgültig besiegelt wurde.


Am späten Nachmittag ging's zum Presidential Palace, der nun wieder geöffnet war. Sun Yat-sen wurde an diesem Ort vereidigt, später quartierte sich Chiang Kai-shek mit seiner Partei im Palast ein.


Und am frühen Abend stand dann noch Coopers Alley, ein anderer historischer Teil der Stadt, auf dem Programm.


Meine beiden Kollegen und mich zog es am Abend dann aber doch nochmal in die am Vorabend besuchte Altstadt auf ein kühles Getränk.


Mittwochvormittag stand zunächst ein Besuch des Nanjing Massaker Memorials an. Die Massaker von Nanjing, denen 300000 Menschen zum Opfer fielen, wurden 1938 während des zweiten japanisch-chinesischen Krieges von den japanischen Besatzern verübt.


"Bitte dort nicht japanisch sprechen, sonst kriegen wir ein Sicherheitsproblem." - so unser Guide, bevor wir den Bus verließen.
Nach dem Lunch konnten wir uns mal bei einem Glas Tee in Kalligraphie ausprobieren.


Im Bild zu sehen mein fachkundig bemalter Fächer. Gebote für dieses prachtvolle Unikat nehme ich ab sofort entgegen.
Nach einem kurzen Spaziergang auf der Stadtmauer von Nanjing, die heute als die längste erhaltene Stadtmauer der Welt gilt, ging es um 16:00 Uhr zurück ins Hotel.


Mittwochabend konnte jeder mal auf eigene Faust essen gehen, und das war nach ausschließlich chinesischem Essen seit Montag auch dringend nötig. Ich gönnte mir ein Steak mit Kartoffelgratin und Gemüse, dazu ein Weizenbier.

Donnerstag ging es dann um 10:00 Uhr mit dem Zug  nach Shanghai. Spaziergang am Bund, durch die Altstadt, durch Pudong, durch die French Concession und eine abendliche Bootstour auf dem Huangpu River rundeten diese "Dienstreise" ab.
Freitag startete unser Zug nach absurden Sicherheits-Checks, die wir über uns ergehen lassen mussten, um 12:00 Uhr Richtung Peking, wo wir diesmal allerdings nicht pünktlich ankamen. Der Zug war nämlich 4 Minuten zu früh da.
Thank you for travelling with Deutsche Bahn.


Sonntag, 22. September 2019

64| 70th anniversary

Sonntagmorgens halb zehn im Wagas. Viel besser als hier würde ich mein Frühstück zuhause auch nicht hinbekommen. 


Morgen um diese Zeit werde ich schon seit mehr als vier Stunden und mit weniger opulentem Frühstück im Bauch auf den Beinen sein - auf dem Weg nach Nanjing mit zwei Kollegen und 25 weiteren Menschen im Schlepptau. Ich werde hier sicherlich davon berichten; nur wann, das ist die große Frage. Denn...

Die Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag meines Gastlandes rücken unaufhaltsam näher. 
Die Geschichte Chinas reicht allerdings bis weit in die Antike zurück. So zählt China zu den ältesten Zivilisationen und Hochkulturen der Menschheit. Die über 2000-jährige wechselvolle chinesische Kaiserzeit endete 1911 mit dem letzten Kaiser Puyi, ein Jahr später rief Sun Yat-sen die Republik China aus. Diese besteht tatsächlich bis heute auf Taiwan fort. Auf dem Festland hingegen rief 1949 Mao Zedong die Volksrepublik aus. Nach seinem Tod begann ab 1978 die Reform- und Öffnungspolitik Chinas unter Deng Xiaoping. In China, mittlerweile zweitgrößte Weltwirtschaft, versucht seitdem jede Führungsriege den Balanceakt zwischen kommunistischer Staatsform einerseits und Marktwirtschaft andererseits hinzukriegen. Vor allem auf dem Land leben nachwievor viele Menschen (Wikipedia spricht von 900 Millionen) in Armut, Repressionen gegen religiöse Aktivitäten, keine Toleranz bei Kritik am politischen System, Menschenrechtsverletzungen, ... 

Jeder kann natürlich für sich selbst entscheiden, ob dies ein Grund zum feiern ist. Fakt ist, man kann sich - zumindest hier in der Hauptstadt - dem Ganzen kaum entziehen. Massive Straßensperrungen, Schließungen von etlichen U-Bahn-Haltestellen, Sicherheitskräfte an jeder Ecke. Das Magazin "thebeijinger" empfiehlt seinen Lesern: "Vergessen Sie vor allem am Wochenende, dass es den Platz des Himmlischen Friedens und die Verbotene Stadt überhaupt gibt. ... Ziehen Sie in Betracht, Peking vollständig zu verlassen und erst nach der Goldenen Woche zurückzukehren."
Fotos und Videos von Kollegen zeigen Vorbereitungen zur größten Millitärparade, die Peking je gesehen hat. 


Und während ich diese Zeilen schreibe, donnern Kampfjets durch den smog-verhangenen Himmel. Gesehen habe ich sie zwar nicht, aber wozu hat man aufmerksame Kollegen, die einen Tag später diese Aufnahme machten:


Die Süddeutsche klärt unter der Überschrift "Zum Fest gibt's langsame Ladebalken" über eine weitere Begleiterscheinung solcher Feierlichkeiten auf, die mir ja nun auch nicht mehr fremd sind: "Bisher können Internetnutzer die Zensur noch mit sogenannten VPN umgehen, die den Internetverkehr über Umwege ins freie Netz leiten. ... Die Volksrepublik feiert ihren 70. Jahrestag, und es hat fast schon Tradition, dass die Zensoren vor Feiertagen die Anbieter solcher Dienste lahmlegen. ... Vielleicht bringt die Staatsführung das Netz zum Erliegen, weil Menschen mit zu viel Freiheit dazu tendieren, das Denken anzufangen. ... Womöglich möchten die Zensoren aber auch nur daran erinnern, dass sie die verbliebene Freiheit jederzeit ausknipsen können."
Positiv zu vermelden ist indes, dass es Peking zum Ende diesen Jahres wohl schaffen wird, die Top 200 der Städte weltweit mit der schlechtesten Luftqualität zu verlassen. 2016 war die Stadt noch auf Rang 52.
Genug der harten Fakten. 
Wir werden sehen, ob und wann ich hier in meinem kleinen Handwerker-Blog die nächsten Haushaltstipps veröffentlichen kann.

Noch bin ich im Netz, deshalb schnell noch zu zwei Beobachtungen, die ich vor ein paar Tagen gemacht habe. Neben Leih-Fahrrädern kann man vereinzelt nun auch Standräder mieten. Für ebenfalls sehr geringe Gebühren lässt man das Rad einfach an Ort und Stelle stehen. 😜


Deutschland hat Weltmeister-Brötchen, China Weltmeister-Autos.


Die 2015 gegründete chinesische Automarke namens "Weltmeister" kommt mit vollelektrischen SUV's daher. "Weil da nur ein R drin steckt, das noch dazu am Schluss steht, geht das deutsche Wort unseren chinesischen Kunden leicht über die Lippen.", so der Firmengründer.
Clever. Bei Weltmeister-Brötchen sähe es schon wieder ganz anders aus.
Weltmeistel-Blötchen. 😜


Sonntag, 15. September 2019

63| Kunst im Bau

Das Gebäude, das ich heute ganz spontan besichtigte, hatte ich weder zuvor auf dem Schirm, noch kannte ich es überhaupt. Doch in den letzten Tagen tauchte es immer mal wieder in Gesprächen oder auf Fotos bei WeChat auf. Die Rede ist vom Phoenix International Media Centre, dem Headquarter des größten chinesischen Privatsenders.


Die Donut-ähnliche Form soll zum einen an das Firmenlogo des Senders erinnern. Bei der Konzeption des Gebäudes hat man sich zum anderen aber auch des Möbius-Bandes bedient, das mit dem Yin-und Yang-Prinzip assoziiert wird.


Nun ist es allerdings nicht so, dass das Gebäude erst vor ein paar Tagen eröffnet wurde. Nein, das gibt's schon was länger (fertiggestellt 2014 nach sechsjähriger Bauzeit).

Da fällt mir gerade ein, gibt's was neues vom BER? Hat man sich inzwischen für die weniger zeitaufwändige und kostengünstigere Variante entschieden, Berlin abzureißen und neben einem fertigen Flughafen wieder aufzubauen?
Vielleicht noch passend dazu: Ende September 2019 eröffnet Pekings neuer Großflughafen, dessen Bauarbeiten im September 2014 begannen. (Besuchern sei jedoch empfohlen, weiterhin einen Flug nach PEK und möglichst nicht nach PKX zu buchen. Das ist verkehrstechnisch einfach günstiger.)

So, zurück zum Thema. Aufgrund einer Skulpturen-Ausstellung sind nun Teile des Donuts vorübergehend für die Öffentlichkeit zugänglich. Mit 100 ¥ Eintritt zwar weit teurer als die Verbotene Stadt, aus architektonischer Sicht jedoch absolut sehenswert.


Die Skulpturen waren ok, die futuristische Architektur dann doch beeindruckender und der Blick in das ein oder andere Studio auch ganz interessant.


Freitag ist eine Lesung zweier Autoren des Satiremagazins "Titanic".


Da wird's bestimmt was zum Schmunzeln geben.

Update von Freitag, dem 20.09.2019:
Die Lesung ist aus. Es gab was zum Schmunzeln.


Fabian Lichter hat sich erschütternde Fakten zur Trennung von Helene Fischer und Florian Silbereisen ausgedacht und zum Besten gegeben. Weiterhin las er aus seinem spannenden Reisetagebuch über die 59-tägige Mt. - Everest - Besteigung. In der Nacht auf den 60. Tag ging es dann mit dem Fahrstuhl wieder hinab vom Gipfel zum Basislager, wo, als sich die Fahrstuhltür öffnete, Reinhold Messner mit Betäubungspfeilen niedergestreckt werden musste. Darüber hinaus berichtete er über überschätzte Lebensmittel, wie Spargel, Shrimps und Marmorkuchen. 
Leo Fischer las aus seiner aufwühlenden Doku über die 24-jährige Anna Bögemann, die in der eigenen Wohnung containert. "Von den Dingen, die ich täglich wegschmeiße, kann jemand wie ich prima leben." -  sagt Bögemann. Außerdem erfuhr der Zuhörer Hintergründe zur Kulturbrezel, ohne deren Verzehr beispielsweise in der Opernpause eine durch das kraftraubende Zuhören eintretende Ohnmacht droht.
Und was kommt nach Merkel? Kann sie Oligarchin werden und Europa mit Pipelines überziehen? Als sozialistische Physikerin wird sie zumindest auch weiterhin eine Antwort geben können auf Fragen wie: "Was passiert, wenn ein Trabant mit 100 Stundenkilometern tangential in eine Gruppe Jungpioniere rast?"


Sonntag, 1. September 2019

62| Der Männerabend...

...ist überstanden, und seine Folgen waren diesmal auch gar nicht so schlimm. Es begann wieder beim Japaner, wo es heiß her ging.


Ich glaube, alle - ich auf jeden Fall - haben dieses Mal mit dem Sake geschummelt. Ein widerliches Gesöff. Dann doch lieber japanisches Bier. Das Essen hingegen ist einfach großartig, wobei ich relativ wenig gegessen habe, da ich vorher mit ein paar Kollegen bei einem BBQ eingeladen war.
Anschließend ging es in eine Bar, wo noch der ein oder andere Gin Tonic floß.


Ansonsten ist in der letzten Zeit auch nicht wirklich aufregendes passiert. Die Temperaturen sind nachwievor unerträglich hoch. Gestern und heute bis zu 37 °C . Für nächste Woche sind allerdings seit Monaten mal wieder Tagestemperaturen von unter 30 °C vorhergesagt.

In zwei Wochen werde ich - aus beruflichen Gründen - für eine knappe Woche nach Nanjing reisen, mit dem Zug etwa viereinhalb Stunden von Peking entfernt. Während der Ming-Dynastie war Nanjing sogar zeitweilig die Hauptstadt des Landes.


Gleich einen Tag später fahre ich mit einer Kollegin und einem Kollegen für knapp 5 Tage zum Sightseeing nach Shanghai. Ich bin wahnsinnig gespannt auf diese Metropole, nicht zuletzt weil in unseren Aufenthalt der chinesische Nationalfeiertag fällt. Am 1. Oktober wird hier die Gründung der sozialistischen Volksrepublik begangen, dieses Jahr zum 70. Mal. Ausnahmezustand in Peking inklusive. Doch wie wird's in Shanghai aussehen? Militärparaden wie in Peking wird's dort ja hoffentlich nicht geben. Und wenn doch, gibt's hier bald Fotos von ballistischen Mittelstreckenraketen mit Atomsprengkopf vor atemberaubender Skyline.
Meine weiteren Urlaubsplanungen für dieses Jahr laufen auf Hochtouren.
Vor Weihnachten werde ich für einige Tage nach Kambodscha fliegen um mir vor allem Angkor Wat - die Stadt der Tempel - anzuschauen. Die Tempelanlage ist das Nationalsymbol Kambodschas, wurde vor über 1000 Jahren gebaut und ist UNESCO Weltkulturerbe. Die Bilder, die ich bisher so gesehen habe, sind äußerst beeindruckend.


Nach meinem Urlaub dort hoffe ich dann mindestens genauso schöne eigene Aufnahmen hier zeigen zu können.
Und für Silvester plane ich gerade eine Woche in Taipei. Zur Zeit schwanke ich noch zwischen ein paar Hotels und studiere dutzende Bewertungen. Das trägt aber eher zur Verunsicherung bei. Naja, sobald ich mich entschieden habe, werde ich buchen. (Update vom 10.September 2019, 17:40 Uhr: Ich habe mich soeben entschieden, die Buchung ist bestätigt.)


Und zwischen den Reisen gibt's natürlich auch'ne Menge zu tun.
Ich möchte demnächst mal eine Fotoserie machen über schlafende Chinesen. Sie können nämlich zu jeder erdenklichen Tageszeit, an jedem noch so unwirtlichen Ort und in jeder beliebigen Körperhaltung ein Nickerchen machen.
Und ich möchte eine Feldstudie machen zum Fahrstuhlfahrverhalten der chinesischen Bevölkerung. Unmittelbar nach Betreten eines Fahrstuhls müssen sie augenblicklich und gerne auch mehrfach den Tür-zu-Knopf drücken. Ich möchte nun in meinem Wohnhaus dazu forschen, indem ich einmal alle Etagen anfahre und die Fahrstuhltüren ganz normal schließen und dann das Ganze wiederhole, indem ich auf jeder Etage hektisch den Tür-zu-Knopf betätige. Mal schauen, ob's für'ne Doktorarbeit reicht.
Eines habe ich inzwischen herausgefunden. Es gibt exakt eine Personengruppe in China, die Anzeichen von Humor zeigt. Die Schildermacher.