Neulich auf dem Weg nach Singapur: Während des Zwischenstopps in Zürich ruft eine SMS meines Mobilfunkanbieters wegen unversehens unterschrittener Guthabengrenze in Erinnerung, dass die Schweiz ein Nicht-EU-Land und folglich kein Mitglied des EU-Roaming-Abkommens ist.
Neulich auf der Rückreise aus Singapur: Beim Landeanflug auf Zürich und immer noch unterschrittener Guthabengrenze erheben sich schneebedeckte Alpengipfel verheißungsvoll am morgendlichen Horizont.
Warum eigentlich nicht mal Urlaub in den Bergen?
Das letzte und einzige Mal (Der Harz zählt nicht, oder?) ist zig Jahre her und führte mich gemeinsam mit Studienfreunden "in eine mit den Alpen im Zusammenhang stehende Landschaft in Deutschland" - so liest man es bei Wikipedia über's Allgäu.
Kurzum, Übernachtungen - economy hotel at a luxury rate - sowie Zugtickets sind gebucht, ein abenteuertaugliches und atmungsaktives Paar Trailschuhe steht bereit. Im Sommer geht's für'ne Woche zu Heidi und dem Ziegenpeter in die Schweiz.
Dort endet am 27. Juli 2025 die Fußball-Europameisterschaft der Frauen, nur wenige Tage später beginnt bereits das nächste äußerst anspruchsvolle Sportereignis, für das ich mir zudem die Live-Übertragungsrechte sichern konnte: Das 8-Minuten-Rennen Hamburg-Basel. Diesjähriger Hauptsponsor: Die Deutsche Bahn.
30. Juli 2025, 08:24 Uhr, der Startschuss fällt überraschend pünktlich trotz technischer Widrigkeiten. Der fehlende Wagen 8 und ausgefallene Steckdosen sorgen für Stirnrunzeln in der Boxengasse. Andererseits macht das genau diesen Wettbewerb aus: Unvorhersehbarkeit trifft auf Präzision.
Kaum ist das Rennen in Fahrt, bremst eine Signalstörung zwischen Hannover und Göttingen das Feld aus. 20 Minuten Verzögerung – im Rennsport eine Ewigkeit. Doch die Rennleitung reagiert blitzschnell, diskutiert alternative Streckenverläufe. Was ist mit dem ursprünglich geplanten 8-minütigen Boxenstopp? Möglicherweise verlegt von Basel nach Zürich. Doch dann ein Rückschlag: Der schweizerische Rennsportverband greift hart durch. Strenge Regularien zwingen die Rennleitung zur Kurskorrektur – das Rennen muss in Basel enden. Die Veranstalter beraten fieberhaft, unterschiedliche Szenarien werden durchgespielt.
Und dann, endlich: Um 15:11 Uhr gibt die Rennleitung grünes Licht – das Rennen geht weiter. Die neue Route steht fest: Zürich – Bellinzona – Locarno. 19:00 Uhr rollen nach einem furiosen Endspurt die Sportler*innen erschöpft, aber triumphierend ins Fahrerlager von Locarno. Was für ein Tag!
Buongiorno vom Lago Maggiore im Tessin, einem Kanton ganz im Süden der Schweiz, but with a lot of italy inside.
Am ersten Tag möchte ich erstmal nur ein bisschen die Umgebung erkunden, dass ich gleich dem Kloster und Wallfahrtsort Madonna del Sasso bummelige 200 m oberhalb von Locarno einen Besuch abstatte, hat sich durch Zufall ergeben. Mir ist dort auch nicht, wie 1480 dem Franziskanermönch Bartolomeo, die Muttergottes erschienen. Der Aufstieg lohnt sich trotzdem, vor allem wegen der Aussicht.
Zurück in Locarno lasse ich mich einfach durch die Gassen und Hinterhöfe der Altstadt treiben.
Wieder in Locarno besteige ich sogleich die S 20 nach Bellinzona, Hauptstadt des Tessin. Von den drei Burgen, die im späten Mittelalter erbaut wurden um den Zugang zu den Alpenpässen und den Warenhandel zu kontrollieren und mittlerweile Teil des UNESCO-Weltkultuerbes sind, kann ich mir aus Zeitgründen nur zwei angucken, das Castel Grande und das Castello di Montebello. Reicht glaub ich auch.
Quöllfrisch endet ein langer Tag am Ufer des Lago Maggiore.
Am zweiten Tag erscheint mir wiederholt die Muttergottes nicht, ich jedoch abermals an der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso.
Nur eine kleine Verschnaufpause dieses Mal, fühle ich mich doch zu Höherem berufen. Mit der Seilbahn geht's rauf nach Cardada (1340 m.ü.M.). Für die Dauer der Fahrt möchte ich hier kurz meinem Bildungsauftrag nachkommen: In der Schweiz wird Meter über Meer (m.ü.M.) als Höhenangabe verwendet. Referenzpunkt ist dafür seit 1902 der Repère Pierre du Niton, ein Granitblock im Genfersee. Dieses Höhensystem ist allerdings... Oh, schon da, bitte aussteigen.
Von der Aussichtsplattform Ponte sospeso Cardada hat man einen wunderbaren Blick über den See und die weitere Umgebung, wenn heute auch etwas dunstig.
Eine Wanderung und nicht etwa der vorhandene Sessellift führt mich weiter zum Cimetta (1671 m.ü.M.). Vom Gipfel könnte man - klare Sicht vorausgesetzt - gleichzeitig den tiefsten Punkt (Lago Maggiore, 193 m.ü.M.) und den höchsten Punkt der Schweiz (Dufourspitze, 4634 m.ü.M.) sehen. Ich hab da mal was vorbereitet.
Naja, ich find die Sicht zur anderen Seite noch verlockender, tauchen die Nachbargipfel doch immer wieder in die Wolken ein.
In nicht all zu weiter Ferne sieht man in den Wolkenlücken immer wieder ein Gipfelkreuz - das des Cima della Trosa (1869 m.ü.M.).
Auf geht's.
Gleich da.
Geschafft.
Am Ende sind's - Seilbahn nicht mit eingerechnet - knapp 15 km bei etwas weniger als 800 Höhenmetern. Jeder Alpinist lacht mich aus dafür. Egal. Vor nicht mal dreieinhalb Jahren war durchaus die Treppe ins 2. OG eine Herausforderung. So nämlich. Darauf ein Bier und'n großen Teller Spaghetti alla Carbonara.
Am dritten Tag nehme ich den Bus B 321 nach Lavertezzo im Verzasca-Tal. Die knapp 40-minütige Fahrt macht Lust auf das, was kommt. Erst kommt allerdings'n bisschen Regen.
So richtig erahnen, was da noch kommt, konnte ich gar nicht, auch wenn ich mich im Vorfeld natürlich ein bisschen informiert habe. Die Realität war überwältigend.
Die aus dem Mittelalter stammende Ponte dei Salti, auch "Römerbrücke" genannt, die Kirche aus dem 18. Jahrhundert, das grün schimmernde Wasser, die von eben diesem abgeschliffenen Felsen. Ich brauche eine Weile um mich satt zu sehen.
Den rauschenden Fluss immer linker Hand geht es nun ab in den Wald zu einer moderaten Wanderung.
Das kleine Bergdorf Corippo, 1224 erstmals erwähnt und seit 1975 unter Denkmalschutz stehend. Dessen einfache Häuser haben dicke Natursteinmauern, mit Steinplatten gedeckte Dächer und nur noch um und bei 10 ständige Bewohner. Ein Hotelprojekt soll seit 2022 jedoch wieder mehr Leben ins Dorf bringen.
Unterhalb des Dorfes bietet sich der perfekte Platz für eine Brotzeit. Schnell was mampfen, bevor ganz in der Nähe der Bus kommt.
In 007-Manier kann man sich auch selber vom Damm stürzen. Im folgenden Bild ist solch ein Verrückter versteckt.
Abends schlendere ich nach Pizza und Wein ein bisschen durch Locarno, wo auf dessen Piazza Grande noch kräftig für das in Kürze stattfindende Locarno Film Festival gerödelt wird.
Emma Thompson und Jackie Chan werde ich leider knapp verpassen, reise ich doch einen Tag vor Eröffnung des Festivals wieder ab. Soweit ist es aber noch nicht.
Am 4. Tag setze ich mich nämlich in den Bus B 315 nach Maggia im Vallemaggia. Heute ist Nervenkitzel mein zweiter Vorname, denn mein erstes Ziel erreiche ich auf einem eigentlich gesperrten Weg, der es stellenweise in sich hat. Ich bin nur zu faul umzukehren. Naja, et hätt noch immer jot jejange, wie der Eidgenosse so sagt.
Cascata del Salto - 60 m tief stürzt das Wasser in ein natürliches Becken.
Zurück zur Bushaltestelle im Dorf geht's dann deutlich entspannter.
Gegen 13:00 Uhr ist mein zweites Ziel im Vallemaggia erreicht: Der Ort Ponte Brolla mit einer für Fußgänger und Radfahrer freigegebenen ehemaligen Bahnbrücke.
Diese soll aber nur der Ausgangspunkt für zum Teil etwas waghalsige Erkundungen sein. Wir schauen zunächst mal, was sich unter der Brücke befindet.
Die Maggia-Schlucht, eine Art Canyon, nur etwa einen halben Kilometer lang und bis zu 25 m tief. Auf geht's zur Erkundung des Canyons.
Erst später habe ich gelesen, dass Ponte Brolla tatsächlich Austragungsort der International Cliff Diving Championship ist. Macht Sinn.
Auf der abendlichen Suche nach etwas zu essen, was nicht Pizza oder Pasta ist, stoße ich auf eine Art Volksfest in der Rotonda Locarno: Musik, Kleinkünstler, internationales Streetfood. Für mich gibt's Pad Thai mit Shrimps.
Mein letzter Tag beginnt zunächst wieder mit einer Busfahrt. Der Bus B 311 bringt mich nach Monte Carasso für eine geplante Wanderung nach Sementina. Ich könnte es mir jetzt ganz leicht machen, Start- und Zielbushaltestelle liegen gerade mal 500 m auseinander mit einer gut zu bewältigenden Höhendifferenz von einem Meter, entscheide mich dann aber doch für einen kleinen Umweg von ungefähr 6 Kilometern bei über 500 Höhenmetern. Schweißtreibend, aber schön.
Auf halber Strecke muss das Tal überquert werden, das die Gemeinden Monte Carasso und Sementina trennt. Gut, dass es seit 2015 die 270 m lange Ponte Tibetano Carasc gibt, die 130 m über dem Boden hängt.
Nach einigen Stunden Wanderung habe ich mir eine ausgiebige Pause mehr als verdient- heute bin ich echt kaputt.
Abends zieht's mich abermals zur Rotonda. Diesmal gibt es thailändisches Holy Basil Stir-fry. Gute Schärfe, aber nicht so holy, als dass mir die Muttergottes erschienen wäre.
Echt müde endet ein toller Aktiv-Urlaub mit letzten Impressionen und eiskaltem Quöllfrisch am Ufer des Lago Maggiore.
Nun sitze ich im EuroCity 178, der - aus Mailand kommend - pünktlich wie ein Schweizer Taschenmesser Basel entgegenrauscht. Ab dort übernimmt dann wieder der diesjährige Hauptsponsor des 8-Minuten-Rennens.
So, und eigentlich sollte dieser Blog-Post jetzt erstmal abgeschlossen sein, doch was mir auf der Bahnfahrt bis hierhin noch geboten wird, ist einfach traumhaft.
Ein paar weitere Bilder von diesem Teil der Zugfahrt sind in der folgenden kleinen Slideshow zusammengestellt.
Obwohl ich es einerseits total liebe in die Anonymität und die Straßenschluchten einer Millionenmetropole abzutauchen, wird dies wohl andererseits nicht mein letzter Besuch hier gewesen sein. Ganz klar Daumen hoch für die Schweiz.
Uf Wiederluege mitenand.
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