Mittwoch, 22. April 2020

81| Back to normal?

Mehr und mehr kehrt das Leben nach Peking zurück.
Es ist allerdings ein Leben mit dem Virus, wenngleich es nach offiziellen Angaben praktisch keine Neuinfektionen in China mehr geben soll. Die Verantwortlichen sind offensichtlich aber sehr nervös und zögerlich, gerade was Peking angeht, ist die Hauptstadt doch das Machtzentrum der Kommunistischen Partei. So wurde der Nationale Volkskongress, der normalerweise einmal jährlich im März stattfindet, auf Ende Mai verschoben. Spätestens dann wird vorübergehend wieder das VPN ausgeknipst.
Ebenso passt ins Bild, dass der Chaoyang District, ein Stadtteil Pekings mit über 3,5 Millionen Einwohnern, sowie zahlreichen internationalen Unternehmen und Botschaften, in dem auch ich lebe und arbeite, derzeit zum Ort mit dem höchsten Ansteckungsrisiko in China eingestuft wurde. Diese Einstufung als high-risk-area erfolgte am 19.04.2020, nachdem wohl am 16.04. drei neue lokale Infektionen im Chaoyang District gemeldet wurden, die offenbar alle mit einem importierten Fall in Verbindung zu bringen sind.
Wie es sich anfühlt, unter solchen Vorzeichen seinen Alltag hier zu bestreiten, zeigt die etwa 25-minütige Dokumentation des in Peking lebenden Journalisten, von dem ich bereits im vorletzten Post ein Video geteilt habe.


Alles, was er vom tagtäglichen Leben hier berichtet, kann ich genauso unterschreiben. Den Erfahrungsbericht in der Reportage von der Great Wall bei Badaling kann ich jedoch nicht bestätigen.
Noch nicht.
Doch in ein paar Tagen wollen wir diesem Mauer-Abschnitt einen Besuch abstatten.
Wie auf dem Bild aus Zeiten vor Social Distancing - vom Maifeiertag 2019 - wird es wohl nicht werden.


Heute, Donnerstag, den 23.04.2020, mussten wir uns einem kurzfristig anberaumten, aber groß angelegten Corona-Test unterziehen. Nicht wegen der geplanten Wanderung. Aus beruflichen Gründen. Nach längerer Wartezeit und einigen Missverständnissen wurden wir letztlich mit Bussen zu einer chinesischen Schule gefahren, auf deren Hinterhof ein provisorisches Labor eingerichtet war. Körpertemperaturmessung an einem ersten Checkpoint, Registrierung an einem anderen, Testung - all das unter gütigem, aber wachsamem Blick des "Überragenden Führers".


Die ganze Prozedur - irgendwie faszinierend und erschreckend zugleich.


Nicht auszumalen, wenn auch nur einer aus dem Kollegium oder vom übrigen Personal positiv getestet wird.
Währenddessen verwandelt sich unser Dienstgebäude immer mehr in einen Verkehrsübungsplatz: etliche Wegweiser, zahllose Klebepfeile auf dem Boden, hunderte Meter gelb-schwarzes Absperrband.


Und morgen, am Samstag, den 25.04., heißt es früh aufstehen - die Mauer ruft.

Samstagmorgen, es war wohl etwas zu früh, denn erst hat mir die App partout kein Leihfahrrad freigeschaltet, dann bin ich in die falsche Bahn gestiegen. Der Tag begann ja großartig. 
Etwa 60 km nordwestlich von Peking erstreckt sich auf nicht ganz 8 km Länge der 1505 fertiggestellte Abschnitt der chinesischen Mauer von Badaling. Einstmals erste Verteidigungslinie zwischen Peking und der Mongolei, war dies 1957 der erste Mauerabschnitt, der Besuchern zugänglich gemacht wurde. Heute ist es der beliebteste und repräsentativste aller Abschnitte der Großen Mauer, selbst die Queen war schon mal hier. Wir hatten sowohl Glück mit dem Wetter, als auch mit den Besucherzahlen. Man konnte jedoch erahnen, welche Menschenströme hier an anderen Tagen abgefertigt werden.


Doch was soll ich noch groß schreiben? Ich habe einen wunderbaren Tag an einem wunderbaren Ort mit wunderbaren Menschen verbracht. 


Und unten gab es dann noch - so, als gäb's was zu feiern - lecker Gin-Tonic. Also besser geht's doch nicht.

Der heutige Sonntag begann nun allerdings, wie auch schon der gestrige Tag ...mit ein wenig Pech. Ist es das Alter, liegt's an der Aura von Peking oder ist's einfach nur Blödheit? In der Ausübung meiner Home-Office-Tätigkeit ergab es sich jedenfalls, dass mein Kopf unglücklich mit dem geöffneten Fenster kollidierte, in dessen Folge ich erneut die internationale Klinik aufsuchen musste. Ein paar Nadelstiche und eine opulente Arztrechnung später war ich dann auch schon wieder zuhause. In einer Woche werden die Fäden gezogen. Ich glaube, mit dem, was die Klinik in letzter Zeit an mir verdient hat, ist bald ein neuer CT drin.

Heute, am Dienstag, den 28.04. ist das Thermometer schon auf 30°C geklettert, und das wird es im Laufe der Woche weiter tun. Für Samstag werden 36°C vorhergesagt. Nein, was freu ich mich. Allerdings habe ich diese und nächste Woche stramm zu tun im Home-Office. Hitzeschlag möglich, Sonnenbrand unwahrscheinlich.
Doch wenn man schon am Wochenende arbeiten muss, soll man sich's auch gut gehen lassen.


Montag, der 04.05.: Nachdem ich das Wochenende weitestgehend durchgearbeitet habe, heute vormittag die Fäden aus meinem Kopf gezogen wurden, die Temperaturen und Luftwerte nach mehreren Tagen mal wieder erträgliche Werte erreichten, hab ich zum Nachmittag frech das Home-Office verlassen. Ich brauchte Wasser - also für's Auge. Es zog mich zum Tongzhou Canal Park im Südosten der Stadt. 
Der Park erstreckt sich auf knapp 5 Kilometern Länge entlang des Kaiserkanals. Dieser wiederum ist mit mehr als 1800 Kilometern die längste von Menschenhand geschaffene Wasserstraße der Welt. Erste Abschnitte entstanden bereits vor 2400 Jahren. Über Jahrhunderte hinweg war der Kanal für Peking die wichtigste Versorgungsader mit Reis, Seide und anderen Gütern.


Nicht überlaufen, trotzdem viele Menschen, die spazieren gingen, Sport machten oder ihren Hobbys nachgingen.


Um einen guten Blick auf Pekings neueste Brücke, die North Canal Great Bridge, zu erhaschen, begab ich mich auf die andere Seite des Kanals.


Vorbei an zahlreichen Anglern rechterhand und ebenso zahlreichen Baustellen linkerhand, näherte ich mich der noch nicht befahr- und begehbaren Brücke.


Und neben weiterer moderner Architektur...


..gab's auch Traditionelles anzuschauen, wie das Grain Inspection Building, die Dipamkara Pagode und den neuen Damm, der einer Steinbogenbrücke nachempfunden ist.


Und wie man sieht, reichlich Wasser; fließen doch der Wenyu River, der Tonghui River, der Yunchaojian River und der Xiaozhong River an dieser Stelle in den Kaiserkanal. Die Ostsee aber kann dies nicht ersetzen.

Seit dem 07.05. hat mein Fitnessstudio wieder auf. Schwimmbad und Duschen zwar nicht, aber immerhin. Heute hatte ich einen Termin mit meiner Kontakt-Offizierin, die mir die in Zukunft notwendigen Abläufe erklärte. Um überhaupt das Gebäude betreten zu können, musste ich meinen Gesundheitszustand von der Health Kit App als unbedenklich bestätigen lassen, den QR-Code einer weiteren Tracking App scannen, meine persönlichen Daten in eine Liste eintragen und meine Körpertemperatur von einer Wärmebildkamera erfassen lassen. An der Rezeption des Studios wurden nach einer Gesichtserkennung sicherheitshalber nochmal meine persönlichen Daten und die Körpertemperatur erfasst. Im Gespräch erfuhr ich, dass ich nun immer schon mindestens 24 Stunden im Voraus Lust auf Sport haben sollte, denn soviel früher muss ich einen Termin im Studio beantragen und mir bestätigen lassen. Na, das sollte ja, wo ich doch eigentlich immer Lust auf Sport hab, kein Problem darstellen. Also werd ich wohl schon heute einen Termin für Sonntagnachmittag vereinbaren, denn morgen, Samstag, den 09.05., geht's in aller Frühe auf einen Tagesausflug weit in den Norden Pekings. 

11 Stunden nach morgendlichem Aufbruch sitze ich nun bei'nem Käffchen auf der Couch und blicke zurück auf einen großartigen Ausflug.
Schon der Blick am frühen Morgen aus dem Busfenster machte Lust auf mehr. 


Heutiges Ziel war die Longqingxia Scenic Area - eine beeindruckende Canyonlandschaft - etwa 80 Kilometer nordwestlich von Downtown Beijing. 
Am Anfang unserer Tour stand der 70 m hohe Longqing Damm, auf dessen Krone man mittels Rolltreppen im Innern eines riesigen Drachens gelangt. Natürlich. China halt.


Von dort ging es unzählige Treppen steigend immer weiter nach oben. Belohnt für diese Anstrengung wurden wir mit tollen Aussichten. 


Nach einem gemütlichen Picknick auf dem Gipfel, umschwirrt von der Drohne eines Kollegen...


...haben wir uns für den Weg hinunter allerdings die Seilbahn gegönnt.


Nächste Etappe: eine Bootsfahrt auf dem Stausee, der den Canyon nach dem Bau des Dammes 1973 flutete. Das folgende großartige Bild ist ebenfalls meinem Kollegen mit seiner Drohne gelungen.


Doch auch den eigenen Augen bot sich an jeder Biegung ein neuer fantastischer Blick auf die steil aus dem grünen Wasser ragenden bewaldeten Kalksteinfelsen.


Abgerundet wurde das Ganze durch den Besuch des Diamond Tempels.


Da gibt es einfach nix zu meckern, außer, dass es im Cafe "Coffee Room" keinen Kaffee gab.

Back to normal. Trotz der widrigen Umstände versuche ich nun, wieder eine gewisse Regelmäßigkeit bei den Fitnessstudio-Besuchen hinzukriegen. Das wird schon schwer genug.


Beim Sport in Zukunft aber auch auf Spiegeleier und Bacon verzichten zu sollen, schmerzt schon.


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