Freitag, 24. Januar 2020

76| Das Jahr der Ratte

Am Samstag, den 25. Januar 2020 beginnt das chinesische Jahr der Ratte. Ich hingegen bin ein Schwein - also vom chinesischen Sternzeichen her.


Das Chinesische Neujahrs- oder auch Frühlingsfest ist das wichtigste traditionelle Fest in China. Es fällt immer auf den ersten Tag des ersten Monats im chinesischen Mondkalender. Neben viel Traditionellem ist das Wichtigste, zum Neujahrsfest mit der Familie zusammenzukommen um ein Jahr voller Arbeit zu feiern und auf ein neues und glückliches Jahr zu hoffen. Das hat die größte jährliche Völkerwanderung zur Folge, sind dann immerhin Hunderte Millionen Menschen auf Reisen. In diesem Jahr sorgt die Ausbreitung des Coronavirus für einige Verunsicherung. Die 11-Millionen-Stadt Wuhan gilt als Ausgangspunkt des Virus und wurde mittlerweile abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt. In weiteren Städten wurde der öffentliche Verkehr eingestellt. In Peking sind alle größeren Neujahrsfeierlichkeiten abgesagt. Nahezu jeder trägt jetzt eine Atemmaske.
Das sind die aktuellen Umstände, unter denen ich morgen früh zum Airport fahre um bis Donnerstag nach Hanoi zu fliegen. Deutlich angenehmere Temperaturen als in Bangkok (so um die 20 Grad) erwarten mich dort. Trotzdem habe ich mir nur einige wenige interessante Orte herausgesucht, die ich in der vietnamesischen Hauptstadt ansteuern möchte. Insgesamt möcht ich's da etwas ruhiger angehen. Ob Hanoi dafür die richtige Wahl ist, wird sich zeigen. 

Samstag, der 25.01.2020:
Auf dem Pekinger Flughafen ist alles entspannt. Alle Chinesen sind schon bei ihren Familien. Auch wegen des Virus keine erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, zumindest am Airport nicht. In der U-Bahn schon. Zusätzlich zu den üblichen Kontrollen erwarteten mich Männer in weißen Ganzkörper-Overalls, Schutzbrillen und Mundschutz um wie bei einer Hinrichtung ein Fiebermessgerät auf meine Stirn zu richten. Apokalyptisch. Andererseits, Vorsicht ist sicher gut, Hysterie (noch) nicht angebracht. Maske trage ich heut ohnehin - die Luft in Peking ist mal wieder ziemlich schlecht. 
Gleich geht mein Flug. Erst nach Hongkong, von dort weiter nach Hanoi.


Und da bin ich soeben (18:45 Uhr) - nach dreistündigem Zwischenstopp in Hongkong und turbulentem Anflug -  bei 13 °C und starkem Regen gelandet. Schnell mal eben 2 Millionen  (vietnamesische Dong) aus'm Automaten gezogen (umgerechnet etwa 80 Euro), stehe ich nun in der Schlange vor der Immigration, und es geht nur in Zeitlupe vorwärts.
Endlich angekommen im Hotel. Eines steht jetzt schon fest: vietnamesische Taxifahrer sind geisteskrank. Ich brauch jetzt'ne Kippe und'n kaltes Bier.

Sonntag, der 26. 01.:
Bei Zigarette und Feierabendbierchen sitz ich nun auch grad wieder. Tagsüber führte mich meine Tour vorbei am Flaggenturm,


an der kaiserlichen Zitadelle, die über viele Jahrhunderte hinweg Machtzentrum der vietnamesischen Kaiser war,


am Building D67, das während  des Vietnamkrieges der Volksarmee als Headquarter diente, zum West Lake, dort vorbei an der Tran-Quoc-Pagode,


weiter zum Präsidentenpalast, dem Ho-Chi-Minh-Mausoleum


und der Einsäulenpagode,


von dort über den Literaturtempel, der jedoch kein Tempel ist noch war, sondern 1070 als erste Akademie des Landes errichtet wurde,


zurück zum Hotel. Nach einer wohlverdienten Nachmittagsruhe machte ich mich am frühen Abend zu einer verrückten Besonderheit in Hanoi auf - der Train Street.


Die Train Street ist eine enge, bewohnte Gasse mit Cafe's und Lokalen und ... einem Gleis.


Und auf diesem Gleis fahren tatsächlich Züge, wie obiger Zeitplan aus dem "Spot 09", wo ich ein kaltes Hanoi Beer genoss, verspricht. In einem Abstand von nur wenigen Zentimetern donnert der Zug an einem vorbei. Crazy.


Montag, der 27.01.:
Auch heute gönn ich mir wieder ein Ruhepäuschen im Hotel. Zuvor habe ich schon den Hoan-Kiem-See mit dem auf einer kleinen Insel liegenden Jadebergtempel umrundet.


Anschließend bin ich ein bisschen durch Hanoi's Altstadtviertel geschleudert.


Auf dem Rückweg kam ich zufällig am Hoa-Lo-Gefängnis vorbei und habe ihm einen kurzen Besuch abgestattet. Erbaut wurde es 1904 von den Franzosen zur Inhaftierung vietnamesischer Widerstandskämpfer, später diente es als Gefängnis für amerikanische Kriegsgefangene, die das Gebäude "Hanoi Hilton" nannten.


Zum frühen Abend habe ich mich zu einem neuen Abenteuer aufgemacht.


Einfach dem Zug in der Train Street folgend, erreichte ich die Long-Bien-Brücke über den Roten Fluss.


Aufgrund ihrer strategischen Bedeutung war sie im Vietnamkrieg stark umkämpft. Heute ist die Brücke rostig und marode und deshalb nur noch für Mopeds und Fußgänger freigegeben. Und eben für den Zug.


Alles wackelt, alles knarzt. Der schmale "Fußweg" besteht aus dünnen, wackeligen und teilweise gebrochenen Betonplatten, zwischen denen man direkt runter zum Roten Fluss gucken kann.


Das klapprige Geländer ist an den meisten Stellen gerade mal hüfthoch. Ein Abenteuer eben. Mit wenn auch nicht ganz perfektem Sonnenuntergang, da es bewölkt war.


Und einem Gefühl ein bisschen wie im Film "Stand by me".


Nach diesem Nervenkitzel waren ein, zwei beruhigende Bierchen im Altstadtviertel unabdingbar.


Abends präsentiert sich die Altstadt bunt und laut. So stellt man sich Hanoi irgendwie vor.


Man atmet hier praktisch ausschließlich Moped-Abgase. Aber was soll's, in Peking hätte ich seit Tagen übelste Luftwerte von weit über 200.

Dienstag, der 28.01.:
So langsam gehen Hanoi die touristischen Attraktionen aus. Vielleicht hätte ich doch einen Tagesausflug zur Halong-Bucht buchen sollen. Naja, nu is zu spät. So beobachtete ich heute vormittag eben erstmal aus dem Hotelfenster, wie auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig drei Hühner geschlachtet, abgebrüht und gerupft wurden. Dann machte ich mich auf zum Union Park. Auf der Kreuzung vor dem Hotel befindet sich ein Schlagloch, weswegen hier aber niemand nach der Straßenmeisterei schreit. Und wenn doch, würd vermutlich sowieso nix passieren. Ein frischer Strauß Blumen tut's doch auch.


Der Park selber ist relativ groß, war gut besucht, ist jetzt aber auch nicht die große Sensation.


Auf dem Rückweg hab ich noch einen kurzen Blick in die rappelvolle Quan-Su-Pagode aus dem 15. Jahrhundert geworfen, die das Hauptquartier der buddhistischen Gemeinschaft Vietnams ist.


Und nun... Mittagsruhe.
Es folgen ein paar abendliche Impressionen von Hanoi. Die Mittagsruhe ging aber nicht bis abends.


Abschließend gab's ein, äh zwei, nein drei Hanoi Beer im "A99" an der Train Street.


Ich werd hier noch zum Trainspotter. Wobei, der auf obigem Bild ist nur gemalt. Der in den nächsten Bildern ist wieder echt.


So, und wenn morgen gegenüber von meinem Hotel kein Wasserbüffel auf offener Straße geschlachtet wird oder weiße Elefanten auf Nachttischchen balancieren, war's das mit meiner Berichterstattung aus Hanoi. Apropos "Das Jahr der Ratte", ich habe in noch keiner anderen Stadt so viele Ratten gesehen. Der Post hätte demnach auch den Titel "Die Stadt der Ratten" haben können.
Donnerstag, den 30.01. geht's vormittags zurück nach Peking...falls ich dann überhaupt noch ins Land gelassen werde. Offizielle und inoffizielle Nachrichten bezüglich des Coronavirus und seiner Auswirkungen überschlagen sich derzeit geradezu.

Update vom 28.01., 17:30 Uhr: Meine Arbeitsstelle wird bis mindestens Mitte Februar geschlossen. 
Update vom 29.01., 12:00 Uhr: Cathay Pacific reduziert von morgen an seine Flugkapazitäten von und nach Mainland China um 50 % und mehr.
Update vom 29.01., 13:30 Uhr: "Wir gehen davon aus, dass Ihre Reise aufgrund eines unerwarteten Ereignisses möglicherweise beeinträchtigt wurde."
Update vom 29.01., 19:30 Uhr: Endlich, es gibt nun einen  Impfstoff. Ein Kollege hat's in unserem Kollegen-Chat gepostet.


Update vom 30.01., 08:00 Uhr: Mit dem Taxi auf dem Weg zum Flughafen.


Good Morning, Vietnam.

Update vom 30.01., 13:30 Uhr: Landung eine halbe Stunde früher als geplant in Hongkong. Damit bleibt mir ausreichend Transferzeit zum (nicht gecancelten) Flug nach Peking.
Update vom 30.01., 20:00 Uhr: Wieder zuhause. Peking gleicht einer Geisterstadt. Mein Kühlschrank leider auch.



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