Freitag, 14. September 2018

21| Das Absurditäten-Kabinett

Seit nunmehr 6 Wochen lebe und seit 4 Wochen arbeite ich im Reich der Mitte. Zeit für ein Zwischen-Fazit.

Die Arbeit geht mit jedem Tag etwas besser von der Hand. Trotzdem bleiben Unsicherheiten. Zu vieles ist anders als ich es über Jahre gewohnt war. Das wird aber.
Morgen Abend ist erstmal der jährlich stattfindende "Männerabend". Essengehen beim Japaner incl. entsprechender Getränke. Was ich bisher so über vergangene Männerabende gehört habe, macht mir ein bisschen Angst. Deshalb wird auch die geplante Wanderung erneut verschoben.

Ich kann einkaufen, verhungere und verdurste nicht. Ob ich mich daran gewöhnen kann, dass dir in Klamottengeschäften auf Schritt und Tritt eine Verkäuferin mit höchstens einem halben Meter Abstand folgt oder dir im Supermarkt ständig Waschpulver entgegengestreckt wird, wenn du nur an dem Regal vorbei gehst, weiß ich nicht.

Ich kann öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Mittlerweile lasse ich auch die täglichen Kontrollen der Tasche und das Abtasten beim Betreten einer U-Bahn-Station regungslos über mich ergehen. Ansonsten ist U-Bahn-Fahren hier sehr entspannt...wenn man nicht gerade während der rush hour unterwegs ist.

Ich verstehe immer besser die Verkehrsregeln, insbesondere jetzt, wo ich auch gelegentlich mit dem Leih-Fahrrad unterwegs bin.


 Fahrradwege oder Zebrastreifen sind hervorragende Parkplätze.
§1: Wer hupt, hat Vorfahrt. Wer rechts abbiegt auch.
§2: Fußgänger und Radfahrer haben keine Rechte.
§3: Wer stehen bleibt, hat verloren. Wer Blickkontakt aufnimmt ebenso.

Hong Kong. Flüge und Hotel sind gebucht. Über Silvester werde ich für eine Woche dort sein.
Nächste Woche lädt die deutsche Botschaft zu einer Feier zum Tag der deutschen Einheit. Das Ganze soll Oktoberfest-Charakter haben. Wie blöd, dass ich den Morgen drauf wieder zur Arbeit muss.


Ich brauche allerdings viel Geduld und Nerven wie Drahtseile um manche Absurditäten, Besonderheiten und Sinnfreies zu ertragen. Klar, ich bin Gast in einem anderen Land, noch dazu in einem anderen Kulturkreis und bin natürlich auch bereit mich dem unterzuordnen oder anzupassen. Aber bei manchen Sachen könnt ich einfach nur ganz laut Kakao schreien.

Gehen und Anstehen. Schlange stehen ist was für Anfänger und Deutsche. Chinesen gehen direkt dran vorbei und stellen sich vorne hin. Oder schieben einfach zwischen deinem Arm und Oberkörper das Geld für eine Eintrittskarte zum Schalter hindurch.
 Chinesen gucken nicht. Sie wechseln schlagartig ihre Richtung oder bleiben abrupt mitten im Weg stehen. Sie drängeln. Oder sie gehen so langsam zu Dritt nebeneinander, wo kein Durchkommen möglich ist.

Behörden. Nachdem ich letzte Woche unverrichteter Dinge wieder von der Polizeistation abziehen musste, weil für die erneute Registrierung Dokumente fehlten (Ich bin mir sicher, wenn die Polizei-Beamtin hinter sich in den Aktenschrank gegriffen hätte, hätte sie alle Unterlagen von der ersten Registrierung dort gefunden), bin ich heute erneut losgezogen um dieses Level endlich abzuschließen. Dafür brauchte ich neben meinem Pass etliche Passkopien. Damit bin ich zunächst zum Management-Büro meines compounds, wo ich neben dem Pass und dem Mietvertrag die Kopie des Ausweises und der Kreditkarte meines Vermieters sowie die Kopie der Besitzurkunde der Wohnng vorgelegt habe. Nicht, dass dies nicht schon bei der ersten Registrierung erfolgt wäre. Daraufhin wird einem ein Dokument ausgestellt, was sozusagen bestätigt, dass man dort wohnt. Und damit geht's dann zur zuständigen Polzeistation. Neben dieser Wohnbetätigung legt man seinen Pass, die Passkopien und das alte Registrierungsformular vor. Und schwupps erhält man nach einigen Minuten Wartens ein neues Registrierungsformular. Als ich gestern in der Mittagspause in einem Gespräch raushörte, dass diese Prozedur nach jeder neuen Einreise nach China erfolgen muss, habe ich mir überlegt, ob ich nicht einfach zwei Jahre hier auf der Couch sitze und lese.
Egal, ich habe jetzt erstmal meine einjährige residence permit und die notwendige Registrierung.

Sprachbarriere. Bei der Arbeit natürlich kein Problem, aber im Alltag enorm. Englisch kann man knicken, In Restaurants gibt's zumindest meist Speisekarten mit Bildern. Seit Montag besuchen wir einen Chinesisch-Kurs. Bereits nach den ersten 90 Minuten habe ich das Gefühl, viel wird da bei mir nicht rumkommen. Betone ich das Wort tang auch nur ein bisschen anders, bekomme ich statt Süßigkeiten eine Suppe serviert. Vielleicht doch beser mit dem Finger drauf zeigen.

Jobs, die die Welt nicht braucht. Es müssen hier natürlich ein Haufen Leute beschäftigt werden. Da ist der Parkplatzwächter, der den ganzen Tag auf seinem Bürostuhl am Straßenrand sitzt. Oder die Frau, die jeden Morgen die Straßenkreuzung mit Wasser abspritzt. Oder der Gärtner, der versucht, mit einem Zweig zusammengeharktes Laub in eine Tüte zu schieben. Oder der Mann, der beim Rechtsabbiegen eines Busses mit einem weißen Handschuh aus dem Fenster winkt.

Luftqualität. Wir hatten in den letzten Wochen wirklich viele Tage mit ausgesprochen guter Luft. Heute liegt der Index mal wieder im höheren ungesunden Bereich. Gelegenheit, eine der mitgebrachten Feinstaubmasken auszuprobieren. Nicht gut. Nach kurzer Zeit schwitzt man darunter wie ein Iltis, denn immerhin haben wir hier immer noch Tagestemperaturen von um die 30 Grad bzw. knapp darunter. Nachts kühlt es sich wenigstens schon ab auf unter 20 Grad.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen